Nichts-geht-mehr-Republik: Stuttgart 21 & Atomkraft


Veröffentlicht am 28.11.2010 in der Kategorie Sonstiges von Axel Mayer

Nichts-geht-mehr-Republik: Stuttgart 21 & Atomkraft


Angesichts der Proteste gegen Stuttgart 21, gegen das "grüngestrichene" Atomstromspeicherbecker Atdorf (Text siehe unten) und gegen die Gefahrzeitverlängerung von AKW warnen immer mehr Politiker von CDU, CSU und vor allem aus der FDP vor der "Nichts-geht-mehr-Republik". Auch viele Medien übernehmen diese Kritik ohne die Thesen zu hinterfragen.

Nicht nur bei Herrn Mappus, bei Herrn Westerwelle und bei Frau Merkel erleben wir einen zutiefst zerstörerischen, rückwärtsgewandten Fortschrittsglauben. Bei den Protesten gegen Stuttgart 21 und gegen die Laufzeitverlängerung von AKW geht es nicht um ein grundsätzliches "Gegen Alles". Es geht darum Fortschritt neu und nachhaltig und nicht zerstörerisch zu definieren.

Fortschritt darf nicht immer nur von Bänkern, von Atomkonzernen, von Investoren, von Spekulanten, von den neoliberal Habgierigen definiert werden

Fortschritt bezeichnete bisher eine Weiterentwicklung eines Zustandes, zumeist im positiven Sinne. Doch wohin hat sich unsere Welt bisher entwickelt? Das Leben vieler (nicht aller!) Menschen in den reichen Ländern ist bequemer und besser geworden, Krankheiten wurden erfolgreich bekämpft und wir leben länger. Doch wie sieht es weltweit aus?


Nichts-geht-mehr-Republik: Stuttgart 21 & Atomkraft

Heute: Das Zeitalter des Raubbaus und der Barbarei / Das "Alles ist möglich Zeitalter" der Zerstörung
Umweltbewegung, Gewerkschaften und die sozialen Bewegungen haben viel erreicht. Im Bereich der Umwelt sind beispielsweise in Deutschland Luft und Wasser tatsächlich sauberer geworden, also ein echter, erkennbarer Fortschritt. Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als dass die weltweiten Zerstörungsprozesse in Deutschland ein wenig langsamer ablaufen als anderswo. "In einem Jahr verbrauchen wir gerade weltweit so viele fossile Rohstoffe, wie die Erde innerhalb einer Million Jahre herausgebildet hat." Quelle: Zukunftsfähiges Deutschland 2008. Gleichzeitig erzeugen wir Atommüll der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss. Immer noch gehören auch wir zu den, zumeist unzufrieden gehaltenen, 20% der Menschheit, die 80% der Energie und Rohstoffe verschwendet und die damit für den Großteil der weltweiten Umweltverschmutzung verantwortlich sind. Und die restlichen 80% der Welt (insbesondere China und Indien) sind gerade dabei unser zerstörerisches Modell einer Raubbauwirtschaft nachzuahmen. Zur Umweltzerstörung kommt im Zeitalter der Globalisierung ein zunehmend ungehemmter Konsumismus, eine Gefährdung der Demokratie, Ungerechtigkeit und Sozialabbau und eine verstärkte Innenweltverschmutzung. Hundertfünfzig Jahre Industrialisierung haben dazu geführt, dass die in vielen Millionen Jahren geschaffenen Energievorräte und die Rohstoffreserven der Welt zu Neige gehen und gleichzeitig haben wir u.a. mit Atommüll Gifte produziert, die über eine Million Jahre sicher gelagert werden müssen. Das menschengemachte Artensterben und der Klimawandel nehmen zu und eine Milliarde Menschen hungert. Die nachfolgenden Generationen werden unser Zeitalter eine Zeit des Raubbaus und der Barbarei nennen. Die Zukunftsaufgabe auch der regionalen Umweltbewegung wird es sein, aufzuzeigen, dass unbegrenztes Wachstum begrenzte Systeme zerstört. "Gut leben statt viel haben" ist die Zukunftsdevise. Es gilt, eine tatsächlich nachhaltige Entwicklung einzuleiten und Fortschritt neu zu definieren. Die Proteste der so genannten "Nichts-geht-mehr-Republik" kritisieren falsche Entwicklungen.[/b]

Neoliberalismus und Zerstörung
"Wenn alle Völker nicht mehr wie bislang dem Markt Zügel anlegen, sondern dem Staat, wenn Steuern gesenkt werden und die Konzerne die uneingeschränkte "Freiheit" bekommen Menschen auszubeuten und die Umwelt zu zerstören, dann wird sich das Los und der Wohlstand aller Menschen der Erde verbessern – sogar das der allerärmsten. Sie brauchen sich bloß vollkommen den selbstregulierenden geheimnisvollen Kräften des Marktes anvertrauen." Nicht nur die große Krise und eine Milliarde hungernder Menschen zeigen, dass diese Ideologie zutieftst menschenverachtend war und ist.

"Nichts-geht-mehr-Republik" - Fortschrittsfeindlichkeit wird Umweltschützern gerne vorgeworfen.
Doch braucht es in einer Demokratie immer auch eine kritische Diskussion um die Definition von Fortschritt und Innovation. "Alles was Gewinn bringt ist Fortschritt und Innovation", sagt, etwas verklausuliert, die Industrie und die meisten Politiker beten diese Formel ungeprüft nach.

"Fortschritt und Innovation muss in erster Linie den Menschen dienen", sagen wir Umweltschützer. Harrisburg und Tschernobyl, DDT, Contergan und die FCKW's, die unsere Ozonschicht gefährden, galten lange Zeit auch als Symbole des Fortschritts.


Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit sind unsere wichtigsten Anforderungen an Fortschritt.
Technologien, wie die Atom- oder Gentechnologie beinhalten ein so immenses Risiko, und vor allem Missbrauchspotential, dass sie die Zukunft gefährden können. Wenn der gut organisierte, öffentliche Chor "höher, schneller und weiter mit Atom- und Gentechnologie" schreit, stellen wir die Frage nach dem "Wohin".
Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Kreisrat




Rede von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer zur Atom-Kundgebung am 23.Oktober 2010 in Freiburg (Es gilt das gesprochene Wort)

Atomkraft - Stuttgart 21 & Fortschritt
Höher, Schneller, Weiter, aber wohin?



Hallo Freiburg

Höher! Schneller! Weiter! Fortschritt

Höher! Schneller! Weiter! Atomkraft
Welche große Hoffnung war einmal mit der Nutzung der Atomkraft verbunden?
Und heute:


Höher! Schneller! Weiter! Laufzeitverlängerung!
Was bedeutet Laufzeitverlängerung?


Höher! Schneller! Weiter! Asse!
Wurde uns die Atommülldeponie nicht als absolut sicherer Fortschritt verkauft?
Und heute?




Höher! Schneller! Weiter!


Alles Fortschritt? Viele Opfer, Viel Leid, Viele Verbrechen
Und fast nie wurde ein Verantwortlicher richtig bestraft
Umweltstrafen gibt’s fast nur für die kleinen Umweltsünder
Es gibt in Sachen Umweltverbrechen ein Gerechtigkeitsdefizit

Die Nutzung der Atomenergie und die Laufzeitverlängerung funktioniert nur in Ländern, in denn die politisch Verantwortlichen wissen, dass sie nach einer Katastrophe nicht zur Rechenschaft gezogen werden


Was ist ein Verbrechen?
Die Umwelt zu vergiften oder sie zu schützen?

Was ist ein Verbrechen?


Höher! Schneller! Weiter! Stocamine
War die modernste, sicherste und beste Deponie für nicht brennbaren Giftmüll vor unserer Tür im Elsass nicht ein Fortschritt?


Und jetzt sagen die Experten dass in 100 bis 150 Jahren die Grube vollläuft und das Grundwasser am Oberrhein gefährdet ist

Die Inbetriebnahme der Stocamine wurde toll kommuniziert

Die Scheiße wird gezuckert bis sie den Menschen schmeckt

Höher! Schneller! Weiter! Fossile Rohstoffe
Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um?

In einem Jahr verbrauchen wir gerade weltweit so viele fossile Rohstoffe, wie die Erde innerhalb einer Million Jahre herausgebildet hat.
Wir stehen vor Peak Oil, Peak Gas, Peak Uran, Peak Everything

Tiefer! Schneller! Weiter! Stuttgart 21
Sind die S-21 GegnerInnen nur Nein-Sager?

Die GegnerInnen von Stuttgart 21 sind in erster Linie JA-Sager!
Aus ihrem Nein zum überteuerten, risikobehafteten Protz- und Immobilienprojekt erwächst ein lautes deutliches JA:


Welche Provokation für die „konservative“ CDU:
Sie sind für eine kluge, resourcenbewusst - bescheiden Lösung
Resourcenbewusst – Bescheiden: welch garstiges Wort in Zeiten der Habgier

Höher! Schneller! Weiter! Atomexport
Warum hat ein politisch instabiles Land wie Pakistan die Atombombe?
Weil es mit deutscher Hilfe Atomanlagen gebaut hat
Der Außendienstmitarbeiter des französischen Atomkonzerns AREVA, Herr Sarkozy will AKW exportieren.
Herr Sarkozy liefert AKW in Spannungsgebiete
nach Marokko, nach Algerien nach Lyben
Er exportiert Atomkraftwaffen
Das ist ein Verbrechen an der Zukunft

Höher! Schneller! Weiter! Fessenheim
Für was steht Fessenheim?
Auch die EDF und die EnBW wollen die Laufzeitverlängerung für den Schrottreaktor
Das bedeutet mehr Profit für die Betreiber und Aktionäre und mehr Risiko für uns

Höher! Schneller! Weiter!
Höher! Schneller! Weiter!
Höher! Schneller! Weiter! Aber wohin?

Wir müssen endlich die Frage nach dem Wohin stellen


Aber Fortschritt darf nicht immer nur von Bänkern, von Atomkonzernen, von Investoren, von Spekulanten, von den neoliberal Habgierigen definiert werden


Höher! Schneller! Weiter!
Das war eben auch der zerstörerische Fortschritt des letzten Jahrhunderts
Das war eben auch Seveso, Bhopal, Asbest, Contergan, Cross Border Leasing, Bankenkrise, Stocamine, die autogerechte Innenstadt, die Massenmenschhaltung in den Vorstädten, Rohstoffverschwendung, Klimawandel, das war soziale Ausgrenzung, Asse und Tschernobyl

Nicht nur bei Herrn Mappus, bei Herrn Westerwelle und bei Frau Merkel erleben wir einen zerstörerischen, rückwärtsgewandten Fortschrittsglauben

Langsamer, Weniger, Besser, Schöner, Gerechter! Das ist Zukunft

*Kluges Denken und Bescheidenheit statt Protz ist Fortschritt
*Soziale Gerechtigkeit ist Fortschritt
*Menschenrechte und Toleranz sind Fortschritt
*Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien sind Fortschritt
*Atomkraft, Atomkraftwaffen und Laufzeitverlängerung gefährden Zukunft.

Axel Mayer


Pumpspeicherwerk Atdorf: Atomstrombatterie?


Der Widerstand gegen das geplante Pumpspeicherwerk Atdorf wird bundesweit in den Medien als typisches Beispiel der "Dagegen-Republik" aufgeführt. Nicht einmal ein Pumpspeicherwerk für umweltfreundlichen Wind- und Sonnenstrom lässt sich ohne Widerstand vor Ort durchsetzen. Was bei dieser Berichterstattung immer unter den Teppich gekehrt wird, ist die Tatsache, dass nicht überall wo "Umwelt" drauf steht, auch "Umwelt" drin ist.
Die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke behindert den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung. Darum ist ist es naheliegend, dass der Strombezug für den Pumpbetrieb nicht aus regenerativen Quellen, sondern aus Kohle- und Atomkraftwerken erfolgen wird.
Nicht weit vom geplanten Pumpspeicherwerk Atdorf liegen die schweizer Gemeinden Gösgen und Beznau, ein wenig weiter entfernt liegt der Ort Mühleberg. In diesen drei Gemeinden stehen kleine, sehr alte AKW, die durch neue und wesentlich leistunsstärkere AKW ersetzt werden sollen. Mindestens zwei neue, große AKW will die schweizer Atomlobby auf jeden Fall.
Wenn die drei alten durch zwei neuen AKW ersetzt werden, dann wächst der Kraftwerkpark in der Schweiz um 2000 MW. Die Schweiz stünde vor einem neuen «20-TWh-
Atomstromberg» der insbesondere exportiert werden soll. Für solche Energiemengen braucht es Zwischenspeicher zur Veredelung des atomaren Grundlastsstroms.
So lange diese Pläne bestehen ist es sehr wahrscheinlich, dass der Atdorf-Speicher nicht für Sonnen- und Windstrom gebraucht wird, sondern dass es sich um eine grün gestrichene Atomstrombatterie handelt.
Wenn die schweizer Atom-Pläne vom Tisch sind, wenn bewiesen ist, dass dort wo "Umwelt" drauf steht, auch "Umwelt" drin ist, bin ich gerne bereit den Standort Atdorf neu zu diskutieren.
Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer Freiburg, Vizepräsident Atomschutzverband Basel. Kreisrat