Umweltpolitischer Rückblick auf das Jahr 2023 / Umweltpolitik 2023: Atomausstieg, Klimakonferenz, Lützerath, Hitzejahr,...


Veröffentlicht am 06.01.2024 in der Kategorie Umweltgeschichte von Axel Mayer

Umweltpolitischer Rückblick auf das Jahr 2023 / Umweltpolitik 2023: Atomausstieg, teure AKW, UN-Klimakonferenz, Lützerath ...


Vorwort:
Der deutsche Atomausstieg am 15.4.23 war schon ein erstaunliches Phänomen. Seit wann setzen sich in a »Rich Man's World« die Vernunft gegen die Macht, die Nachhaltigkeit gegen die Zerstörung und die Kleinen gegen die Großen durch?


2023 war wieder einmal ein "schwieriges" Jahr, ein Jahr mit entsetzlichen Kriegen, Aufständen, Aufstandsbekämpfung und Krisen, deren historische Ursachen erschreckend wenig hinterfragt werden. Das Jahr war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste mit durchgehend mehr als 1,5 Grad Erderwärmung. Für die Umweltbewegung und die sozialen Bewegungen gibt es langfristig immer ein Auf und Ab und dieses Jahr war eindeutig ein Jahr des Niedergangs und die Talsohle ist noch nicht erreicht. Bessere Jahre kündigen sich zumeist nicht vorher an, aber sie kommen.

Um manche Vorgänge, Entwicklungen und Machtstrukturen zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzte, dass 2022 knapp 4000 Milliarden US-Dollar an Gewinnen und davon 2000 Milliarden US-Dollar krisenbedingte Übergewinne aus der weltweiten Öl- und Gasförderung ­angefallen sind. (Eine Milliarde sind tausend Millionen.) Dazu kommen noch die globalen Profite der Kohle- und Atom-Konzerne. Solche Profite sind eng verbunden mit politischer und publizistischer Macht. Die Kohle-, Öl- und Gasmultis sind verantwortlich für die Klimakatastrophe und die Gierflation. Die Konzerne mögen keine Solaranlagen und Windräder in privater Hand und auch Wärmepumpen schmälern ihre Gewinne. Sie mögen keine Steuern für Konzerne und Milliardäre und erst recht keine Übergewinnsteuern und sie wissen ihre Interessen durchzusetzen. Eine einflussreiche Lobby hat es 2023 in Deutschland geschafft, den Zorn von den Räubern auf die Umweltbewegung und die GRÜNEN umzulenken. Die FDP hat 2023 in der Ampel jedes relevante Klimaschutzgesetz torpediert, mit erschreckendem Erfolg.

Im Jahr 2023 wurde der antiökologische Kulturkampf, den wir bisher nur in den USA kannten, mit Macht nach Deutschland getragen. Sehr deutlich wurde das beim Streit um den deutschen Atomausstieg oder beim perfekt aufgebauschten Konflikt um die Wärmepumpe. Etwa 1 Million Euro Gewinn pro Tag konnte die Atomlobby bisher nach eigenen Angaben pro AKW erzielen. (3 AKW x 365 Tage x 1 Million sind 1095 Millionen Euro entgangener Gewinn pro Jahr.) CDU, CSU, FDP, AfD, Springer-Presse (besonderes hasserfüllt die BILD-Zeitung), FAZ, Klimawandelleugner wie EIKE, organisierte Windenergiegegner, Wirtschaftsverbände, rechtsradikale und rechtslibertäre Internetforen ... zogen im Kampf gegen die Energiewende erfolgreich an einem Strang. Solche Kampagnen sind immer dann erfolgreich, wenn den Menschen der Eindruck vermittelt wird, ihnen könnten persönliche Nachteile entstehen oder es würde ihnen etwas weggenommen. Politisch war die Entwicklung interessant, weil immer mehr der Eindruck einer informellen Koalition zwischen der Regierungspartei FDP und den Oppositionsparteien CDU, CSU und AfD entstand. Dies alles war und ist kein Thema in der Umweltbewegung, die sich teilweise in einer selbstgeschaffenen Wahrnehmungs- und Wohlfühlblase bewegt.

Einige ausgewählte umweltpolitische Niederlagen im Jahr 2023




Einige ausgewählte umweltpolitische Erfolge im Jahr 2023




Das weltweit größte Umweltproblem, nicht nur im Jahr 2023, ist der ungebrochene Glaube an das unbegrenzte Wachstum im begrenzten System Erde. Die Umweltbewegung hat 2024 viel zu tun. Neben das kriegerische "Siegen wollen" müssen wir verstärkt das "Frieden wollen" stellen. Wir müssen neben die Kritik an der Umweltzerstörung auch verstärkt wieder die Analyse der Macht stellen. Nachhaltigkeit gibt es nicht ohne soziale Gerechtigkeit. Und wir sollten stärker als bisher unsere positiven Ziele betonen. Wir haben das Wissen und die Technik, um mit einem verringerten Input von Energie, Rohstoffen und Arbeitszeit allen Menschen dieser Erde das „gute Leben“ zu ermöglichen. Es braucht "nur" Klugheit, globale Gerechtigkeit und die Abkehr von der Wachstumsideologie.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
(Der Autor ist seit 50 Jahren in der Umweltbewegung aktiv und war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg)

Nachtrag:


Noch im Jahr 1993 behaupteten die vier großen deutschen Energieversorger und Atomkonzerne in einer Anzeige in der Zeit: „Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 % unseres Strombedarfs decken.“ 30 Jahre nach dieser Anzeige haben die erneuerbaren Energien einen Anteil von 59,7 Prozent an der Nettostromerzeugung erreicht.




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Aktuell: Kein AKW in Wyhl - Kein Bleiwerk in Marckolsheim.


Ein Rückblick von Axel Mayer auf die frühen Anfänge der Umwelt- und Klimaschutzbewegung:
Hier geht's zum YouTube-Video.



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