Kirschessigfliege: Nutzt Gift wirklich?
Veröffentlicht am 27.08.2014 in der Kategorie Landwirtschaft von Axel Mayer
Kirschessigfliege: Nutzt Gift wirklich?
Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist eine Art aus der Familie der Taufliegen. Ursprünglich kommt sie aus Südostasien, ab dem Jahr 2008 wurde sie auch in viele Bundesstaaten der USA eingeschleppt. Im Jahr 2009 kam der Schädling nach Südosteuropa und seit 2011 in die Schweiz, nach Österreich und Deutschland.
"Die Art gilt in der Landwirtschaft als Schädling, da sie die reifenden Früchte von Kirschen, Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Pfirsichen, Pflaumen, Nektarinen, Aprikosen, Trauben und anderen schädigt. Durch ihre enorm schnelle Vermehrung können große Schäden verursacht werden. Der kurze Generationszyklus der Kirschessigfliege macht sie zu einem mit heutigen Insektiziden schwer bekämpfbaren Insekt", schreibt Wikipedia.
Für die Kirschessigfliege war das Jahr 2014 "ideal". Der milde Winter und des nasse Sommer führten zu einem starken Anwachsen der Population.
Die Kirschessigfliege bereitet Obst-, Beeren- und Weinbauern große Probleme, teilweise sogar existentielle Sorgen, wie der kurze folgende Auszug aus der Badischen Zeitung zeigt:
"Die Kirschessigfliege hat dem Obstbau in der Region bereits massiv geschadet. Matschige Beeren, stinkende Kirschen: Nicht nur die Winzer fürchten die Kirschessigfliege. Bei den Obstbauern in der Region hat sie bereits massive Schäden angerichtet."
Für den Naturschutz bedeutet dies ein Dilemma:
Einerseits können wir die Landwirte verstehen, die ihre Ernten und Erträge schützen wollen, andererseits dürfen sich die umwelt- und bienenschädlichen Giftorgien, die wir bei der Bekämpfung des Maiswurzelbohrers und des Buchsbaumzünslers teilweise erlebt haben, nicht wiederholen.
In Deutschland gibt es bisher nur wenig Erfahrungen mit der Bekämpfung. Das Insektizid Spintor wird zwar angewendet, aber "erfolgreich" ist wohl das falsche Adjektiv in diesem Zusammenhang. Passend wäre eher "verzweifelt" und "in blindem Vertrauen". Es ist der verzweifelte Versuch, irgendetwas zu tun.
Aus Versuchen aus Italien ist bekannt, dass Insektizideinsatz eigentlich nichts nützt.
Ein weiteres Problem: Für Drosophila gilt, dass sich beim Gifteinsatz extrem schnell Resistenzen bilden. Viele Gifte verlieren nach kurzer Zeit ihre Wirksamkeit.
"Probleme beim Insektizideinsatz ergeben sich, da die Eiablage der Fliegen erst kurz vor der Ernte stattfindet und da mit einer andauernden Neueinwanderung von Fliegen in die Obstanlagen zu rechnen ist. Aufgrund der langen Erntedauer bei den meisten Beerenobstarten wären somit Behandlungen während der Ernte nötig, was sehr wahrscheinlich zu Rückstanden im Ern-
tegut führen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass Drosophila-Arten durch ihre Fähigkeit zu genetischer Mutation recht schnell Resistenzen gegen Insektizide entwickeln. Für eine nachhaltige, effiziente Regulierung von Drosophila suzukii
sind daher langfristige, multiple Strategien nötig." beschreibt ein Merkblatt der Schweizer Eidgenossenschaft die Probleme des Insektizideinsatzes.
Wirksamer sind folgende Maßnahmen (die in Kombination im Beerenobst gute Erfolge brachten, für den Rebbau allerdings ungeeignet sind):
- 1.) enge Ernteintervalle, Früchte knapp reif ernten
- 2.) strikte Hygiene: Befallene Früchte entfernen und vernichten
- 3.) Massenfang mit Rotwein-Apfelessigfallen am Parzellenrand um Einwanderung zu verhindern
Überwachung und Massenfang:
Ein lesenswerter Beitrag von Claudia Daniel auf der Seite von bioaktuell.ch
- Überwachung
Zur Überwachung des Auftretens sollten in allen sensiblen Kulturen (Erdbeeren, Kirschen, Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Trauben) beim Farbumschlag der Früchte Fallen aufgehängt werden. Geeignet hierzu sind Dosen oder Flaschen aus Plastik mit dicht schliessendem Deckel. Im oberen Bereich werden mit einem heissen Nagel Löcher von zirka 5 Millimeter Durchmesser hineingebrannt. Um das Entleeren der Fallen zu erleichtern, sollte eine Flaschenseite ohne Löcher bleiben.Als Köder wird folgende Mischung eingefüllt: 50 % Wasser 40 % Apfelessig 10 % Rotwein 2 Tropfen Seife oder SpülmittelDie Fallen sollten im schattigen Bereich insbesondere an Parzellenrändern aufgehängt und regelmässig kontrolliert werden. Gebrauchter Köder sollte bei der Fallenkontrolle nicht in die Obstanlage geschüttet werden. Die Männchen sind leicht an schwarzem Flügelfleck zu erkennen. In der Regel kann von einem Geschlechterverhältnis von etwa 1:1 ausgegangen werden.Um Fruchtbefall mit Maden festzustellen, können Proben mit 100 Früchten einige Stunden eingefroren werden. Die Larven verlassen die Früchte und können gezählt werden. Alternativ können die Früchte vorsichtig zerdrückt und mit einer konzentrierten Salzlösung (350 Gramm Salz pro Liter) übergossen werden. Nach etwa zehn Minuten schwimmen die Larven auf der Oberfläche der Salzlösung und können gezählt werden.- Massenfang
Zum Massenfang können die gleichen Fallen wie zur Flugüberwachung verwendet werden. Dabei sollte ab Beginn des Farbumschlags der Früchte alle zwei bis fünf Meter eine Falle montiert werden. Zu Beginn des Farbumschlags der Früchte sollten die Fallen zuerst an den Parzellenrändern aufgehängt werden, um ein Einwandern der Fliegen in die Kultur zu verzögern. Sobald die Fliegen auch das Zentrum der Parzelle besiedelt haben, sollten die Fallen in einem Fünfmeterraster über die ganze Anlage verteilt aufgehängt werden. Versuche aus Italien zeigten, dass der Massenfang mit Fallen eine deutlich bessere Wirkung hat, als die wiederholte Anwendung von Insektiziden.
Im Rebbau ist momentan noch vieles unklar:
Welche Sorten überhaupt anfällig sind, ob sich die Larven in den Beeren wirklich entwickeln können. Auch für die Bekämpfung gibt es momentan keine wirklich wirksamen Ansätze.
Allerdings sind überall Forschungsprogramme angelaufen. Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werden erforscht, sind aber noch längst nicht praxisreif.
Kirschessigfliege, Maiswurzelbohrer und Buchsbaumzünsler zeigen beispielhaft die Probleme einer globalisierten Welt und teilweise auch die Folgen des Klimawandels.
Hier müssen Landwirte, Bio-Landwirte und Naturschutzverbände gemeinsam nachhaltige zukunftsfähige Lösungen suchen.
Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer
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