1524-2024 / 500 Jahre Bauernkrieg: Oberrhein, Baden, Freiburg ...


08.10.2024 bis 12.12.2025



1524-1525 / 500 Jahre Bauernkrieg: Oberrhein, Baden, Freiburg, Elsass, Kaiserstuhl, Württemberg, Schwaben, Oberschwaben, Franken, Thüringen, Rheinland, Tirol, Salzburg, Frankfurt am Main, Nürnberg, Mühlhausen, Würzburg ... (Heute: Klimawandel, Übergewinne, Armut, Reichtum, Cum-Ex)


Unsere Geschichte und Regionalgeschichte ist von kurzen demokratischen Phasen des Aufbruchs, von ebenso kurzen Friedenszeiten mit Wohlstand und von langen finsteren, undemokratischen Zeiten mit Kriegen, Unterdrückung und bitterer Armut geprägt. Die Badische Revolution von 1848 vor 175 Jahren und der Bauernkrieg vor 500 Jahren gehören zu den wenigen, kurzen, demokratischen Geschichtsphasen. Auch wenn beide Aufstände in Niederlagen endeten, so liegen wichtige Wurzeln unserer Demokratie doch 175 und 500 Jahre zurück.

Der Bauernkrieg von 1524 bis 1525 prägt bis heute das kollektive Gedächtnis nicht nur am Oberrhein. Auch bei der Bauplatzbesetzung gegen das AKW Wyhl im Jahr 1975 wurden immer wieder (ziemlich freche) Bezüge zu den damaligen Aufständen hergestellt. Das zeigt das unten abgebildete Wyhl-Plakat, aber auch manche Flugblätter, die von einem Herrn "Jos Fritz" unterschrieben waren.

In den Jahren 1524 und 1525 erhoben sich viele Bauern und Städter gegen die Leibeigenschaft, religiöse Unfreiheit und die Ausbeutung durch ihre Feudalherren. Erstmals in der deutschen Geschichte wurden im Bauernkrieg universale Freiheitsrechte gefordert und eine allgemeine Gleichheit aller Menschen gefordert. Eine Gleichheit, von der wir uns 500 Jahre nach dem blutigen Ende der Aufstände gerade immer weiter entfernen.

Die Proteste erfassten ganz Süd- und Mitteldeutschland, u.a. den Schwarzwald, den Kraichgau, Alt-Württemberg, den Breisgau, den Hegau, Kaiserstuhl, Freiburg, Tauberfranken, Schwaben, Oberschwaben und das Elsass. Auf zunächst friedliche Proteste folgte die Plünderung und Zerstörung von hunderten Burgen und Klöstern. Am Ende schlugen die besser bewaffneten und besser organisierten Truppen der adligen Streitmächte die „Bauernhaufen“ in entsetzlichen Schlachten nieder, an die 100.000 Menschen wurden getötet. Viele Bauern wurden gefoltert, verstümmelt, gehängt oder geköpft. Dennoch war der Aufstand nicht vergebens. Er hat - zumindest auf lange Sicht - zur Abschaffung der Leibeigenschaft geführt.


500 Jahre Bauernkrieg: Armut, Reichtum und ein Mangel an globaler Gerechtigkeit, damals und heute


Seit den Aufständen der Bauernkriege und der Revolution von 1848 hat sich in einigen Teilen der Welt vieles verbessert. Doch was würden die Aufständischen von 1524 dazu sagen, dass 500 Jahre danach immer noch jeder zehnte Mensch auf der Welt hungert? Gleichzeitig profitierten viele Milliardäre und Konzerne enorm von den jüngsten Krisen: 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne haben ihre Gewinne 2022 mehr als verdoppelt. Für die Kriegsgewinnler Chevron, BP, Shell, TotalEnergies und ExxonMobil war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five" erzielten einen gemeinsamen Jahresgewinn von knapp 200 Milliarden US-Dollar. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass in einem einzigen Jahr knapp 2000 Milliarden US-Dollar an Übergewinnen aus der Öl- und Gasförderung ­angefallen sind. Dazu kommen noch die üblichen 2000 Milliarden "Normalgewinne". (Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!)
Im Jahr 2022 ist der Reichtum von Milliardärinnen und Milliardären erneut "sprunghaft angestiegen", insbesondere durch "rasante Gewinne der Lebensmittel- und Energiekonzerne".

"Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?" ist ein deutsches Sprichwort aus der Zeit des Deutschen Bauernkrieges, das die Legitimation des Adels und seiner mittelalterlichen Grundherrschaft über die Bauern auf christlicher Basis infrage stellt. Die neuen "Edelmänner" sind marktradikale Milliardäre und Oligarchen in Ost und West.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, Endingen

Bauernkrieg: Das Beispiel Kaiserstuhl
"Da tritt uns zuerst der Haufe des Veltlin Hans Ziler aus Amoltern bei Kiechlingsbergen, unweit der Stadt Endingen, entgegen. Hans Ziler war lange als Kriegsmann im Dienste des Adels gewesen. Im Wirthshaus zu Kiechlingsbergen waren die ersten Fäden des Aufstandes geknüpft worden. Die Eingeweihten traten bald darauf weiter unten zu Weißweil am Rhein, unterhalb Kinzingen, auf einer einsamen Matte, zusammen, wo sie einen Steg hinter sich aufzogen, um vor jeder Ueberraschung sicher zu sein. Hier wurde das Letzte zum Aufstand vollends beschlossen, sie setzten sich mit dem Elsaßer Haufen von Ebersheim-Münster in Verbindung, ihre Boten brachten aus dem Lager von Kästenholz über den Rhein herüber die zwölf Artikel, wie es scheint die Deklaration, und auf diese wurde der Brüdereid geleistet; zu Schlettstadt wurde ihnen das Fähnlein gemacht, zu Sasheim ließen sie es zuerst fliegen, und der Hof des Klosters Thennenbach zu Kiechlingsbergen war es, dem sie den ersten Besuch abstatteten. Der Ordensgeistliche, der auf diesem Hofe saß, war längst zuvor aus Furcht vor dem Ausbruch der Unruhen hinweggegangen. Schon am 5. März, an der Pfaffenfaßnacht, als der Schaffner altem Brauch gemäß einige Kiechlingsberger bewirthete, hatte Wolf Krumeisen seine Gesinnung verrathen und gerufen: Trag nur auf, Pfaffe, was du hast; denn bald werden wir's uns selbst nehmen. Als sie nun wirklich kamen, um sich Alles selbst zu nehmen, da sah man Alles rührig, Männer, Weiber, Kinder, an der Beute Theil zu bekommen. Der heilige Geist wirkt in dem Volke, frohlockte Jäcklin Kurzmann, Gott will's also haben, es muß so sein! Der Kern dieses Haufens bildete sich aus der Umgegend des Kaiserstuhls. Neben Hans Ziler war Matthias Schuhmacher von Riegel Hauptmann. Die Geistlichkeit längs des Kaiserstuhls mußte die Schirmbriefe, welche für alle Haufen der evangelischen Brüderschaft gültig waren, theuer erkaufen, der Pfarrherr zu Jechtingen mußte 20 Goldgulden, Korn und Wein geben."
Quelle: Geschichte des großen Bauernkriegs. Zweiter Band



1524-1525 / 500 Jahre Bauernkrieg: Oberrhein, Südbaden, Freiburg, Elsass, Kaiserstuhl, Württemberg, Oberschwaben, Franken, Thüringen, Rheinland, Tirol, Salzburg, Frankfurt am Main, Nürnberg, Mühlhausen, Würzburg ... (Heute: Klimawandel, Armut, Reichtum, Cum-Ex)




Bauernkrieg, Armut, Reichtum und ein Mangel an globaler Gerechtigkeit, damals und heute




Bauernkrieg: "Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?" / Armut, Reichtum & Cum-Ex



Aktueller Nachtrag:


Wer wird von den aktuellen Bauernprotesten profitieren?


Natürlich die Großen! Die Agrarfabriken, die Agrochemieindustrie, die mächtigen Landlords im Osten und Norden der Republik. Und wer wird verlieren? Die kleine und mittlere Landwirtschaft, die Artenvielfalt, das Grundwasser, der Klimaschutz und die Demokratie.

Bauernsterben, Agrardiesel, Bauernproteste, Gummistiefel, Blockaden & falsche Freunde von AfD, CDU, CSU & FDP


Aktuell erschüttern massive Bauernproteste das Land. Es geht den Landwirten nicht nur um die Kürzungen beim Agrardiesel. Der kleinen und mittleren Landwirtschaft (nicht nur) in Deutschland geht es beschissen. Der Klimawandel wird zur Bedrohung. Die Erträge stimmen nicht. Es gibt zu viel Arbeit und entsetzlich viel Bürokratie für zu wenig Geld. Wer macht gerne unzählige Überstunden in einer Landschaft, in der immer mehr Spaziergänger mit immer mehr Freizeit immer alles besser wissen? Die Kinder wollen die Höfe nicht übernehmen und die Landwirtschaft hat ein schlechtes Image, das durch die heutigen Blockaden nicht besser wird. Investoren haben Ackerland als Finanzanlage entdeckt. Die Kauf- und Pachtpreise sind enorm gestiegen und für viele Landwirte schlicht nicht mehr bezahlbar. Immer verzweifelter versuchen die Betroffenen mit Gift, Dünger, Wachstum und Protesten gegen eine internationale Konkurrenz anzugehen, die auf gigantischen Feldern mit in Europa verbotenen Giften und billigen Arbeitssklaven arbeiten kann.

Der Aufhänger für die heutigen Proteste sind die Kürzungen bei den klimaschädlichen Subventionen für Agrardiesel. Das hat die CDU mal wieder genial gemacht. Sie klagte erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht und die Ampel hat jetzt 60 Milliarden weniger im „Klima- und Transformationsfonds“. Auch so lässt sich die Energiewende bekämpfen. Da lacht sich die FDP ins Fäustchen, die in einer "informellen Koalition" mit der Opposition jede Gelegenheit nutzt, um die Energiewende zu bekämpfen und auch die AfD freut sich. Und dann streicht die Regierung die Subventionen für den Agrardiesel und löst heftige Bauernproteste aus.

Dabei ließen sich die klimaschädlichen Subventionen auch gerechter kürzen.
"Klein- und Nebenerwerbsbetriebe erhielten im Wirtschaftsjahr 2020/21 im Durchschnitt eine Erstattung von 874 Euro auf die gezahlte Energiesteuer für ihren Dieselverbrauch. Großbetriebe in Form juristischer Personen in Ostdeutschland kamen hingegen durchschnittlich auf eine Steuererstattung von 26.620 Euro. Wer viel Diesel verbraucht, zahlt umso mehr Energiesteuer und erhält einen entsprechend höheren Betrag erstattet." schreibt Agrarheute.

Ein steuerbefreiter Sockelbetrag von 5000 Euro für Agrardiesel, der insbesondere kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben nutzt, wäre ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit, Klimaschutz und gegen die Verwandlung der Landwirtschaft in eine Agrarfabrik. Doch mit der Regierungspartei FDP ist es schwer Gerechtigkeit durchzusetzen.

Haben die kleinen und mittleren Landwirte mit AfD, CDU, CSU & FDP die richtigen Freunde und mit SPD, GRÜNEN und der Umweltbewegung die richtigen Gegner?


  • Die AfD leugnet den Klimawandel, der die Landwirtschaft besonders stark betrifft. Und sie ist gegen die zukunftsfähigen Energien, von denen gerade die Landwirtschaft besonders profitiert.
  • CDU, CSU und FDP reden zwar gerne von der Unterstützung der kleinen und mittleren Landwirtschaft. Doch welche politische Farbe hatte die Mehrzahl der Bundes-Landwirtschaftsminister, als bundesweit die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe starben? CDU, CSU & FDP waren und sind die stärksten Lobbyisten der landwirtschaftsfeindlichen Globalisierung und der großen Agrarfabriken.


Es ist peinlich für Rot-Grün, dass sie heute das EU-Mercosur Freihandelsabkommen unterstützen, das der einheimischen Landwirtschaft massiv schaden wird. Die mächtigen Agro-Chemie-Konzerne und die "Spitzen" von CDU, CSU, FDP & Bauernverbänden haben nur ein vorgeschobenes Interesse an kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben. Sie träumen und realisieren den zerstörerischen Traum von der großen, global aufgestellten Agrarfabrik.

Agrarfabrikbesitzer, marktradikale Politiker, Pestizidhersteller, Lobbyisten, Saatgutmonopolisten, Banken, Landmaschinenhersteller und Großgrundbesitzer nutzen die Wut der kleinen Landwirte für ihre eigenen Interessen und wollen die große, globale Agrarfabrik. Die auf falsche Ziele gelenkte Wut der Bauern erinnert ein wenig an die gelenkte Wut der "kleinen Leute" beim Brexit in England. "Take back Control" war ihr Slogan, aber die Kontrolle zurückgewonnen haben Konzerne und Milliardäre auf Kosten der Normalverdienenden.

Die kleine und mittlere Landwirtschaft hat allen Grund, unzufrieden zu sein. Manche falschen Freunde der heutigen Demos wollen aber auch einen rechten Umsturz der Demokratie und tragen erfolgreich die amerikanischen Kulturkämpfe nach Europa. Und der Staat muss sich fragen, ob alle Menschen und Straßenblockierer, Klimaschützende und Landwirte, vor dem Gesetz gleich sind, wie es im Grundgesetz steht.

Ein steuerbefreiter Sockelbetrag von 5000 Euro für Agrardiesel wäre eine gute Teil-Lösung der aktuellen Probleme. Die Naturschutzbewegung, die bei den heutigen Demos teilweise auch heftig kritisiert wird, ist nicht der Feind der kleinen und mittleren Landwirtschaft in Deutschland. Die Umweltbewegung zählt zu den letzten Verbündeten der kleinen und mittleren, naturnäheren, nachhaltigen und somit auch moderneren und zukunftsorientierten Landwirtschaft. Wir müssen den Wachstumswahn brechen, den Traum von der globalen Agrarfabrik beenden und die Globalisierung menschengerecht und nachhaltig gestalten. Dazu braucht es, nicht nur beim Agrardiesel, eine andere, neue Agrar- und Subventionspolitik, die nicht nur die Interessen der großen, deutschen Agrarfabriken und der Investoren bedient. Und die Landwirtschaft braucht gute Preise für gute, umweltschonend erzeugte Produkte. Mit den falschen Freunden der heutigen Aktionen ist das nicht zu machen.
Axel Mayer
Mehr Infos: Bauernsterben aktuell - Agrardiesel & Bauernproteste