Atommüll - Schweiz


Veröffentlicht am 07.09.2021 in der Kategorie Atomkraft von Axel Mayer

Hintergrundinfo: Atommüll, Schweiz, NAGRA; Benken, Atomarer R(h)einfall?



Hintergrundinfo: Atommüll, Schweiz, Benken


Atomarer R(h)einfall?
Gorleben am Hochrhein

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Der weltbekannte Rheinfall bei Schaffhausen entstand vor ca. 14 000 - 17 000 Jahren während der letzten Eiszeit. Im kleinen Schweizer Dorf Benken, direkt am Rheinfall und der Grenze gelegen, könnte das Schweizer Endlager für hochradioaktiven Atommüll entstehen. Es besteht sogar die Gefahr, dass der sogenannte leicht- und mittelaktive Atommüll nach Benken, in ein ungeeignetes Endlager, kommt. Dieses Lager soll die gefährlichsten Gifte der Menschheit für eine Million Jahre sicher aufbewahren können.

Die Frage der Sicherheit oder Unsicherheit eines solchen Atommülllagers betrifft nicht nur die Anwohner in einem kleinen Radius um den Rheinfall, sondern alle Menschen der Region und insbesondere die vielen Millionen Menschen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien und Holland, die ihr Trinkwasser aus dem Uferfiltrat des Rheins beziehen. Atommüll am Rhein ist eine potentielle Gefahr für alle Rheinanlieger.

Woher kommt der hochradioaktive Atommüll?


Hochradioaktiver Müll entsteht insbesondere in Atomkraftwerken. Wenn man den bisherigen Angaben der Nationalen Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) glauben kann, soll hauptsächlich der Müll aus den fünf Schweizer AKW ins Endlager. Die Brennelemente der Atomanlagen wurden bisher in Cap la Hague und Sellafield \"wiederaufbereitet\". Zusätzlich zu den gefährlichen Atomtransporten kam es in den dortigen Wiederaufarbeitungsanlagen zu einer radioaktiven Vergiftung des Meeres und der Luft. Der dort anfallende, stark radioaktive Müll kommt jetzt in ein großes Zwischenlager in Würenlingen (Aargau). Dort muss er zumindest 40 Jahre abkühlen, bevor er \"endlagerfähig\" ist. Da die \"legale\" Meeresvergiftung durch die Wiederaufarbeitungsanlagen, gerade auch nach dem aktuellen Unfall in Sellafield, immer mehr auf Widerstand stößt und da die Aufarbeitung immer teurer wird, könnten in Zukunft auch die extrem giftigen Brennstäbe nach einer Zwischenlagerung direkt endgelagert werden.

Wieviel Atommüll soll ins Endlager?


Der BUND hat einige Fragen an die NAGRA gestellt. Es ging um die zentralen Fragen, die in den Hochglanzprospekten der NAGRA nicht behandelt werden, z.B. nach der chemischen Zusammensetzung der Abfälle, der geplanten Dauer der Endlagerung und der Menge der Abfälle. Die einzige konkrete Antwort war, dass 130 m³ hochradioaktive Abfälle und 4800 m³ Brennelemente ins Endlager kommen sollen. Über die Zusammensetzung, die Gefährlichkeit und die Halbwertszeiten der Abfälle wollte die NAGRA noch nichts sagen. Eine ehrliche, umfassende Antwort passt nicht ins psychologisch geschickte Durchsetzungskonzept der Atomindustrie. Da in der Innerschweiz der Widerstand gegen Atommüll zunimmt, besteht die große Gefahr, dass jetzt auch der leicht- und mittelaktive Müll ins Grenzgebiet nach Benken kommt, weil hier mit einem geringeren Widerstand gerechnet wird und die deutsche Bevölkerung am Verfahren nicht ernsthaft beteiligt wird.

Wie gefährlich ist Atommüll?


In einem AKW entsteht in einem Jahr pro Megawatt Leistung ungefähr die kurz- und langlebige Radioaktivität einer Hiroshimabombe. Das heisst, allein im AKW Leibstadt entsteht jährlich die Radioaktivität von ca. 1100 Hiroshimabomben. Ein Teil dieser Radioaktivität zerfällt nach relativ kurzer Zeit. Manche radioaktiven Abfälle haben eine kurze Halbwertszeit von wenigen Jahren, z.B. Krypton-85: 10,76 Jahre. Andere radioaktive Gifte haben extrem lange Halbwertszeiten, z.B. Jod-129: 17 000 000 Jahre. Ins Endlager kommt ein \"Cocktail\" aus vielen gefährlichen Abfallstoffen. Ein atomares Endlager muss also Sicherheit über mindestens eine Million Jahre geben, über Zeiträume, die unser Vorstellungsvermögen sprengen. Es fällt schwer, die Gefahren und Gefährdungszeiträume von Atommüll zu denken.

Das Beispiel Plutonium


Beim Betrieb eines AKW mit 1000 MW Leistung entstehen pro Jahr ca. 200 - 250 kg Plutonium.

Der giftigste Stoff der Welt


\"Plutonium - sinnigerweise benannt nach Pluto, dem griechischen Gott des Totenreiches - ist der giftigste Stoff, den es gibt. Seine kurzreichende Alpha-Strahlung reißt gewissermassen tiefe Schneisen in jedes lebende Gewebe und zerstört es. Dabei kann es nur schwer oder gar nicht ausgeschieden werden, es setzt sich fest, reichert sich sogar an, die Strahlung ist bei einer Halbwertszeit von 24 000 Jahren faktisch dauerhaft vorhanden. Bereits wenige Millionstel Gramm (Mikrogramm) können sofort, sogar nur etliche Milliardstel Gramm (Nanogramm) langfristig tödlich wirken.....\"
Zitat: Frankfurter Rundschau

Plutonium und der Pharao


Wenn der bekannte ägyptische Pharao Cheops vor 4550 Jahren nicht die berühmte Pyramide gebaut, sondern ein AKW 4 Jahre lang betrieben hätte, dann wären neben vielen anderen Abfällen ca. 1000 kg Plutonium zusammengekommen. Bei einer Halbwertszeit von 24 110 Jahren (Plutonium 239) wären heute noch 877 kg vorhanden. Nach 10 Halbwertszeiten, also nach 241 100 Jahren, müssten immer noch ca. 0,1 % der Ausgangsmenge, also 1 kg Plutonium, dauerhaft sicher gelagert werden. Mit der schon im Normalbetrieb gefährlichen Nutzung der Atomenergie (Harrisburg, Tschernobyl) hat die Atomindustrie weltweit ein unglaubliches Gefahrenpotential für die nachfolgenden Generationen geschaffen.

In die Alpen?


Beim Gedanken an ein sicheres Endlager in der Schweiz denken die meisten Menschen zuerst an die Alpen. Aber die Alpen sind ein geologisch sehr junges Gebirge, das jährlich immer noch um einige Millimeter wächst. Ein solch junges Gebirge hat Risse, Klüfte und Spalten und kommt als atomares Endlager für langlebige hochradioaktive Spaltprodukte nicht in Frage.

Oder nach Benken an den Rhein?


Darum war ein Endlager in tiefen Granitschichten, überdeckt von Sedimenten als zweite Sicherheitsbarriere, das ursprüngliche Konzept der NAGRA. Doch fand sich in der Schweiz trotz intensiver, teurer Suche keine geeignete Granitformation im Untergrund. Und dann erlebten die Umweltschützer auf beiden Seiten des Hochrheins, wie die NAGRA nach dem Scheitern der Endlagerpläne im Granit einen immer ungeeigneteren Untergrund als ideale Endlagerstätte ins Gespräch brachte. Aus dem ursprünglich geplanten Endlager im Granit wurde über Nacht die Endlagervariante Sediment. Ein Endlager für die gefährlichsten Gifte der Menschheit soll jetzt auch im Sedimentgestein (Opalinuston) möglich sein. Bei der NAGRA bestimmt das Gestein das Bewusstsein. Im Untergrund von Benken gibt es zwischen 400 und 600 Meter Tiefe eine nur ca. 105 - 125 Meter dicke (dünne!?) Schicht Opalinuston, die den Atommüll aufnehmen soll.

Offene Fragen


Wer kann beurteilen, wie sicher der Untergrund von Benken für viele hunderttausend Jahre ist? Was passiert, wenn durch die Wärmeabgabe des Atommülls der Opalinuston trocknet und sich Risse bilden? Das von Ingenieuren, Technikern und Politikern für hunderttausende von Jahren absolut sicher gehaltene atomare Endlager in Morsleben droht bereits wenige Jahrzehnte nach der Inbetriebnahme zusammenzustürzen. Wem kann die Bevölkerung am Hochrhein glauben? Den teuren, psychologisch geschickten Werbekampagnen und den Ingenieuren der NAGRA? Oder den kritischen Fachleuten und den Umweltschützern auf beiden Rheinseiten? Und wo geht bei Prognosen über derart lange Zeiträume Ingenieurwissen in Glauben und Hoffnung über? Viele Politiker hoffen im ruhigen Züricher Weinland auf einen geringeren Widerstand und eine geduldigere Bevölkerung als beispielsweise in Ollon. Dort in der französischsprachigen Schweiz lassen sich die Menschen in Sachen leicht- und mittelaktiver Atommüll nicht alles gefallen. Und die deutschen Nachbarn bekommen sowieso nur die Illusion von Beteiligung.

Benken und neue Atomkraftwerke


Die Atomindustrie will endlich Tschernobyl vergessen machen und neue Atomkraftwerke bauen. Um diese psychologisch geschickt durchzusetzen, braucht es unbedingt ein \"vorzeigbares\" Endlager in Zentraleuropa. Es geht dabei um ein hundert Milliarden Euro Geschäft. Kein Wunder also, dass Geld bei der Durchsetzung des Endlagers keine Rolle spielt.

Gefahren für Anwohner und Rheinanlieger


Gefahren bringt ein Atomlager auf jeden Fall. Die Atommülltransporte nach Benken und die konkrete Einlagerung wären unfallgefährdet, und jeder Castortransport wäre ein ideales Angriffsziel für Terroristen. Unfallmöglichkeiten gibt es bei der Einlagerung der Abfälle, und ein schwerer Unfall heißt bei Plutonium und anderen radioaktiven Stoffen immer auch Katastrophe und langfristige Räumung von großen Gebieten. Ein undichtes Endlager am Rheinfall könnte das Grundwasser vor Ort, aber auch den Rhein als Trinkwasserquelle von Millionen Europäern gefährden.

Wohin mit dem Atommüll?


Da haben die Atomindustrie und ihre Paten in der Politik (nicht nur in der Schweiz!) uns und den nachfolgenden Generationen ein schier unlösbares Problem beschert. Gute und einfache Lösungen gibt es nicht. Da gibt es gefährliche Utopien \"ab in die Sonne\" und kluge Überlegungen (Hütekonzept). Da setzen die einen auf Salzstöcke und andere auf Granit. Marcel Burri beschreibt ein altes Diskussionspapier der atomenergiefreundlichen US Atomic Energy? Commission. Diese hatte die geologischen Bedingungen an ein Endlager für hochradioaktive Stoffe folgendermaßen beschrieben:


Vergleichen Sie bitte selbst die geologische und geographische Situation am Hochrhein mit diesen Anforderungen. Für ein solches Endlager müssten alle Bedingungen erfüllt sein. In Benken trifft keine einzige dieser Bedingungen zu.

Doch wer ein Endlager braucht, um neue AKW politisch durchsetzen zu können, dem sind solche Fragen egal.


Und die Schweiz?
Die Schweiz erscheint aufgrund der Größe und der ungünstigen geologischen Gegebenheiten (junge Gebirge, keine massive Granitscholle ...) zu klein und ungeeignet für ein derartiges Endlager. Ein Atommüllexport und gleichzeitiger Weiterbetrieb der AKW ist aber nicht akzeptabel.

Gutachten und Tricks der NAGRA


Gefährlich und gleichzeitig faszinierend sind die geschickten Durchsetzungsstrategien der Atomindustrie und der NAGRA. Sie lässt sich ihre Aussagen und Studien gerne von scheinbar \"unabhängigen und neutralen\" Institutionen wie der Schweizer HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen) oder dem deutschen \"AK End\" bestätigen. Doch wie neutral und unabhängig sind diese Institutionen, auf die sich die NAGRA so gerne beruft? Der AK End soll in Deutschland im Auftrag der Bundesregierung ein Atommülllager durchsetzen. Kein Wunder, dass der AK End die Arbeit der NAGRA für gut befindet. Auch an der Objektivität der Schweizer HSK gibt es berechtigte Zweifel.

Im Vorfeld einer Abstimmung zum Thema Atomausstieg in der Schweiz veröffentlichte die \"objektive, neutrale\" HSK am 3. April 2003 eine geschickt manipulierende Presseerklärung unter der Überschrift: \"Die schweizerischen Kernkraftwerke weisen einen hohen Schutz bei einem vorsätzlichen Flugzeugabsturz auf\". Eine Studie der deutschen \"Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit\" über die Terroranfälligkeit grenznaher Atomkraftwerke zeigt für fast baugleiche AKW das Gegenteil und straft somit die HSK Lügen. Die Mehrzahl der \"neutralen, unabhängigen\" Institutionen, auf die sich die NAGRA immer wieder beruft, sind Institutionen und Organisationen der AKW-Befürworter.

Während es die NAGRA geschickt versteht, jeden Fehler in Gutachten der Kritiker zum nationalen Medienereignis werden zu lassen, finden sich Fehler (HSK) oder Manipulationen der AKW-Betreiberseite fast nicht in den Schweizer Medien. Die Geld- und Manipulationsmacht der Atomindustrie gefährdet die Demokratie. Sie setzt nicht zuletzt auf die \"Käuflichkeit\" der Menschen und Gemeinden.

Die Schwäche der Bewegung gegen Atommüll in Benken ist ihre hohe Verantwortung. Denn die Tatsache, dass ein Endlager nach Abstellung der AKW gebraucht wird, wird von den Umweltschützern anerkannt. Diese Differenziertheit nutzt die NAGRA um ein schlechtes Endlager an ungeeigneter Stelle zu realisieren. Ein schlichtes Nein wäre politisch einfacher durchzusetzen.

Was tun?


Ein mögliches Endlager in Benken bringt nicht nur der Hochrheinregion ungeahnte Gefahren. Menschen, Umweltverbände und Bürgerinitiativen auf beiden Seiten des Rheins engagieren sich grenzüberschreitend und gemeinsam gegen diese Gefahr. Nur ein massiver, gewaltfreier Widerstand kann die Gefahr abwenden. Jetzt ist es wichtig, den Widerstand auch entlang des Rheins bis zur Mündung zu organisieren. Immer noch ist es entsetzlich einfach, die Menschen über die Grenzen hinweg gegeneinander auszuspielen, wie der Streit um Fluglärm zeigt. Es gibt nicht \"Unseren Atommüll\" und \"Euren Atommüll\", auch wenn manche Politiker das so sagen - so wenig wie es nach Tschernobyl \"Unsere Gefahr\" und \"Eure Gefahr\" gegeben hat.

Informieren Sie sich, engagieren Sie sich !


Dieses Papier und insbesondere die Diskussionsvorschläge zu Möglichkeiten der Endlagerung sollen dem Einstieg in die Diskussion dienen. Endgültige Wahrheiten gibt es hier nicht. Die Initiativen vor Ort und der BUND brauchen Unterstützung bei Ihrer Arbeit. Wo sind die Stelltafeln, Plakate, Schilder, Aufkleber, Leserbriefe, die das Nein der Region zeigen? Dieses Informationsblatt gibt es zum Selbstkostenpreis beim BUND und den Bürgerinitiativen vor Ort. Bestellen Sie Informationsblätter für Ihre Gemeinde, Ihren Verein, Ihre Straße, Ihre Partei, Ihre Freunde, Ihr Lokal und Ihre Schule.

Weitere Informationen und Kontaktadressen finden Sie hier auf unserer Homepage. Und schauen Sie ruhig auch mal auf der Homepage der NAGRA vorbei.


Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein






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Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.


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