Axel Mayer: 69 Jahre und der ganze Rest - Ein persönlicher Rückblick


Veröffentlicht am 06.11.2024 in der Kategorie Sonstiges von Axel Mayer

Axel Mayer, Endingen, persönlicher Rückblick: 69 Jahre und der ganze Rest
"Dass der Tod uns lebend findet & das Leben uns nicht tot!"


Ich erinnere mich:


Axel Mayer
Getragen von der kleiner werdenden Hoffnung auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung



Hier:


Nicht nur »NAI HÄMMER GSAIT«: Eine kleine Erfolgsgeschichte


Als ich 1974 zur Bauplatzbesetzung gegen ein extrem umweltverschmutzendes Bleiwerk nach Marckolsheim ins Elsass fuhr, war in Deutschland noch die Zeit der „guten, alten, offenen“ und vor allem sichtbaren Umweltzerstörung und Umweltvergiftung. Flüsse waren stinkende Kloaken, Kinder in der Umgebung von Verbrennungsanlagen litten an Pseudokrupp, in der Umgebung deutscher Bleichemiewerke starben die Kühe an Bleivergiftung. In meinem Heimatdorf Teningen wurde ein Baggersee mit Giftmüll verfüllt und der Schweizer Atommüll noch im Meer versenkt. Es war die unkritisch-technikbesoffene Nachkriegszeit, in der, trotz des Konzernwissens um die Gefahren, noch hemmungslos Asbest verbaut wurde.
Grenzüberschreitend gemeinsam haben wir es geschafft 1974 das Bleichemiewerk zu verhindern und gleich danach ging's 1975 gegen das AKW in Wyhl. Trinational erfolgreich verhinderten wir mit illegalen Bauplatzbesetzungen am Oberrhein den Bau der AKW in Wyhl(D), Gerstheim(F) und Kaiseraugst(CH). Gestärkt aus diesen frühen Kämpfen wandten wir uns mit vielen der damals Aktiven gegen die extreme Luft- und Wasserverschmutzung und wir engagierten uns für Katalysatoren und die Entschwefelung der Kraftwerke im großen Streit ums Waldsterben 1.0. So liegen in Marckolsheim und im Wyhler Wald auch wichtige Wurzeln der heutigen Klimaschutzbewegung. Ein persönlicher Erfolg war der Streit für die Wasserqualität des Rheins und für den Bau einer Kläranlage der Papierfabrik Kaysersberg.
Und es blieb nicht beim »NAI HÄMMER GSAIT« zu Atomkraft und Umweltzerstörung. 1976 veranstalteten der BUND und die Bürgerinitiativen die weltweit erste und größte Ausstellung zu alternativen Energien, die Sonnentage in Sasbach am Kaiserstuhl. Aus heutiger Sicht war es eine kleine, ja geradezu winzige, Ausstellung alternativer Energien, doch wir sagten selbstbewusst und durchaus auch verwegen: "Das ist die Zukunft!" Aber gerade dieses "aus heutiger Sicht" zeigt den unglaublichen Erfolg der damaligen Idee und der umgesetzten Vision. Sonnen- und Windenergie sind heute kostengünstiger als Strom aus neuen Kohle- und Atomkraftwerken.
Dieser kurze Blick zurück zeigt eine fünfzigjährige Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen.
In den aktuellen Kämpfen für Mensch, Natur, Umwelt, Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit gibt es für die Umweltbewegung heute und in Zukunft noch genug zu tun. Beim Atomausstieg am 15.4.23 setzen sich in a »Rich Man´s World« die Vernunft gegen die Macht, die Nachhaltigkeit gegen die Zerstörung und die Kleinen gegen die Großen durch.
Wir „Alten“ geben den Stab weiter. Heute engagiert sich nicht nur die Jugend von Fridays for Future im Klimaprotest. Immer mehr Menschen sehen, dass Artenausrottung, Klimawandel, Atommüllproduktion, Weltvermüllung, Umweltzerstörung und wachsende soziale Ungleichheit Symptome einer Krankheit sind, dieWachstumszwang heißt.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, Bauplatzbesetzer Wyhl, (Alt-) BUND-Geschäftsführer




Zeugnis Axel Mayer: Herr Mayer hat sich stets bemüht...



Herr Mayer ist seit 1974 im Umwelt- und Naturschutz aktiv und seit dem 1.12.1991 als Geschäftsführer beim BUND-Regionalverband beschäftigt. Zum Jahresende 2019 kehrt er vom Hauptamt zurück ins ehrenamtliche Engagement und geht in Rente.

Bei seinem Bewerbungsgespräch stand der Vertreter des BUND-Landesverbandes seiner Bewerbung eher ablehnend gegenüber, denn Herr Mayer war damals Mitglied einer „kleinen radikalen Partei“. Diese Partei stellt heute in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten und ein kleiner Hauch Radikalität würde ihr gut anstehen.

Es gab bei der Einstellung auch die Vermutung, ein so politischer Geschäftsführer würde den Regionalverband schnell wirtschaftlich zugrunde richten. Er hinterlässt einen finanziell gut aufgestellten BUND-Regionalverband.

Herr Mayer hatte stets die allerbesten Voraussetzungen für eine gute und erfolgreiche Arbeit. Sie lag in einer für Zentraleuropa erstaunlich langen Zwischenkriegszeit. Alle Erfolge wurden gemeinsam in sehr guten, freundlichen Teams erreicht. Es gab eine lange Reihe von unglaublich engagierten Vorständen und das gute, eigenständige Team der BUND-Ökostation mit Ralf, Ute, Heide und Svenja. Da waren Brigitte, Jean-Paul, Ellen & Stefan als direkte Mitarbeitende in der Geschäftsstelle in vielen Jahren. Und dann noch unglaublich tolle Zivis und FÖJ-Aktive, die ihn ein wenig vor Erstarrung bewahrten. Die vielen BUND-Mitglieder, Unterstützer, Spender & Newsletter-Bezieher in der Region, aber auch die Spitzen des BUND-Landesverbandes haben seine pointierte Tätigkeit tapfer und mit großer Freundlichkeit ertragen.
Der BUND bot ihm in seinen Tätigkeiten ein heutzutage unglaubliches Maß an Freiheit.

Herr Mayer hat sich stets bemüht, doch leider fiel seine Tätigkeit in eine zerstörerische, regionale & globale Endphase unbegrenzten Wachstums. Sein Arbeitsbeginn war auch der Beginn des neoliberalen Zeitalters aus dem soziale Ungleichheit, globale Gier, Demokratiegefährdung und Illiberalismus wurde. Massive wachstumsbedingte Verluste an Vielfalt und eine zunehmende Verscheußlichung sind überall in der Region am Oberrhein erkennbar. Die Stadt Freiburg wuchert ins Umland und es entsteht ein durchgängiger, gesichtsloser Siedlungsbrei. Auf beiden Rheinseiten wuchern die hässlichen, neonschrillen Ortseinfahrten, Gewerbesteppen und die Billigbauten der Hypermarche-Kultur.

In den knapp 3 Jahrzehnten seiner Tätigkeit nahm der CO2-Gehalt der Atmosphäre zu und die Zahl der Insekten, Amphibien und Vögel am Oberrhein nahm massiv ab. Schon die nächste Generation wird diesen stillen Schwund nicht mehr bemerken, denn bereits heute kennen die wenigsten jungen Menschen noch die Stimme der ins Blau aufsteigenden Lerche. Auch die Durchsetzungsstrategien der Umweltzerstörer haben sich massiv geändert. Häufig treten sie auch am Oberrhein als gut getarnte Bürgerinitiativen auf. So ist es Herrn Mayer nicht immer gelungen, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.

Dem Freiburger BUND-Team in der Ökostation und im Regionalverband sind auch Katastrophen nicht erspart geblieben. Der unaufgeklärte Mordversuch an einer Praktikantin und der Mord an unserer Mitarbeiterin Eva-Maria Christof am 29. November 1995 vor der Ökostation liegen verschorft unter der Oberfläche des Bewusstseins und sind nicht verarbeitbar.

Herr Mayer hat sich in seiner Tätigkeit als BUND-Regionalgeschäftsführer stets bemüht, den ihm übertragen Aufgaben nachzukommen...

Die ersten Jahre seiner Tätigkeit fielen noch in die Zeit der „guten, alten, offenen, sichtbaren" Umweltverschmutzung. Einer seiner größten persönlichen Erfolge war es, der extrem wasserverschmutzenden Papierfabrik Kaysersberg am Rhein eine Kläranlage aufzuzwingen. Nicht nur der Konflikt um die fehlende Entstickung der Flachglasfabrik Hombourg war erfolgreich. Aus dem jahrzehntelangen Kampf vieler Menschen für saubere Luft und gegen das Waldsterben und den Klimawandel wurde 2019 mit "Fridays for Future" endlich erfolgreich Bewegung, mit 30.000 Demonstrierenden in Freiburg.

Der BUND Landesverband hat äußerst umfangreiche Tätigkeitslisten für Geschäftsführende erstellt. In zwei Sommern hat die Freiburger Regionalgeschäftsstelle diese Aufgabenliste fast vollständig ignoriert und die Herren Lacôte und Mayer haben lieber monatelang in Buggingen gezeltet, anstatt ihren vorgegebenen Aufgaben nachzukommen. Durch das Gen-Camp in Buggingen konnte in Südbaden die Aussaat von gentechnisch verändertem Mais erfolgreich verhindert werden.

Wenn im Jahr 2020 (hoffentlich) die beiden Fessenheimer Reaktoren abgestellt werden, dann hat das auch ein wenig mit den Tätigkeiten des BUND am Oberrhein in der grenzüberschreitenden Umweltbewegung zu tun. Hunderttausende von BUND-Infoblättern wurden gedruckt und die Zahl der BUND-Plakate, Banner, Anstecker, Aufkleber, Mails, Aktionen & Demos ist unermesslich. Die Medien wurden fast drei Jahrzehnte lang mit viel zu vielen Presseerklärungen gequält.

Herr Mayer war und ist ein wenig altmodisch. Naturliebend, weltoffen-regional verwurzelt, freiheitsliberal, im epplerschen Sinne bewahrend wertkonservativ und gleichzeitig links, wird er als letzter BUND-Geschäftsführer ohne Handy in die BUND-Geschichte eingehen. Ein wenig verzagt kämpft & hofft er immer noch auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung.

Gegen das moderne Denken der Werbeabteilungen setzt er altbacken auf Text, Grafik und Inhalt statt auf geschmeidige Form.
Die regionalen BUND-Internetseiten sind bisher noch "altmodisch-textorientiert" und manchmal schrecklich lang. Gegen jeden modischen Trend bieten sie keine Infohäppchen, sondern wenden sich an die kleiner werdende Minderheit, die noch in der Lage ist längere Texte zu lesen und zu erfassen. Erstaunlicherweise wurden die altmodischen Internet-Seiten in den letzten Jahren ca. 20 Millionen mal aufgerufen. Selbst ein breites Spektrum alemannischer Texte und Gedichte ist zu finden, denn nicht nur Arten gehen verloren.

Dem BUND am Oberrhein eilt der Ruf politisch pointierter Inhalte voraus. Dennoch sitzen, entgegen dem politischen Ruf, in der Freiburger Geschäftsstelle die großen BUND-Nistkastendealer. Fast 20.000 Kästen mit Bausätzen wurden in den letzten Jahren verschickt.

Herr Mayer war und bleibt unbequem, kritisch, aber kein Querulant. Er war unbequem für Umweltzerstörer und hat sich die richtigen Freunde und Feinde gemacht. Er sieht und benennt die Stärken, aber auch die Gefahren und Schwächen der Umweltbewegung angesichts mächtiger werdender Gegner und sich massiv zuspitzender Konflikte. Wenn "die andere Seite" im Konflikt "besser war", hat das Herrn Mayer immer saumäßig geärgert.

In der unmenschlichen Flut von Themen, Mails und Aufgaben musste Herr Mayer lernen, häufig auch Nein zu sagen. Er hat den machbaren Teil der regionalen Themen und Anfrageflut aufgegriffen. Manchmal ist er auch tief verzweifelt in notwendige, scheinbar nicht lösbare Konflikte mit mächtigen Gegnern gegangen.

Doch wer hätte zu Beginn der Bugginger Ackerbesetzung an den kommenden Erfolg geglaubt, wer an den knappen temporären Sieg beim Bürgerentscheid Flächenverbrauch in Endingen, wer an den Atom- und Kohleausstieg und an die immer bedrohten Erfolge der zukunftsfähigen Energien?

Der Geschäftsführer wird Ende 2019, hoffentlich fast zeitgleich mit dem ersten Reaktorblock seines "Lieblingsatomkraftwerks" in Rente gehen. Rente ist Übergang und heißt, dass er wieder ins Ehrenamt als Umwelt- und Naturschützer zurückkehrt. Er hofft auf weniger Bürokratie und Anfragen, auf mehr Freiheit und Freizeit und freut sich auf Zeit für Inhalte, Analyse & Texte und die zukünftige „Mitwelt Stiftung Oberrhein“. Er ist und bleibt aktiver Teil und Berater des BUND und der Umweltbewegung.

Das Freiburger Team, die Mitarbeitenden, die Vorstände und die Aktiven haben in einer Zeit massiver globaler und regionaler Zerstörung in den letzten knapp 3 Jahrzehnten in Südbaden für Mensch, Natur & Umwelt unglaublich viel erreicht. Es ist ihnen gemeinsam mit dem Alt-Geschäftsführer gelungen regional und bundesweit Themen und Inhalte zu setzen. Im global-eskalierenden Krieg gegen Mensch und Natur wurden kleine Siege der Nachhaltigkeit erzielt.

Die weltweiten Zerstörungsprozesse konnten in der Region ein wenig verlangsamt werden. Das entspricht nicht den Zielvorgaben des Verbandes und nicht den selbst gesteckten Erwartungen von Herrn Mayer, ist aber, angesichts des Zustandes der Welt, auch kein ganz schlechtes Ergebnis langer Arbeit.

Herr Mayer hat sich stets bemüht. Er wird sich auch in Zukunft engagieren, denn es gibt noch viel zu tun.
Axel Mayer (Alt-) BUND-Geschäftsführer










Axel Mayer: Kurzfassung - Leben und so...







Eine kleine Auswahl: Reden von Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Kreisrat, Vizepräsident TRAS


Eine kleine Auswahl: Reden von Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-) BUND-Geschäftsführer, Kreisrat, Vizepräsident TRAS


Rede zum Klimastreik am für die Fridays for Future Demo in Staufen














Hier einige Infos zur Person Axel Mayer



AKW, Atomkraftwerk, Wyhl, 1975, Protest, Axel Mayer, Meinrad Schwörer, Wyhler Wald,
Axel Mayer (links) & Meinrad Schwörer & das AKW Wyhl




Nachtrag:
Über Hass & Intoleranz im "Meins-Zeitalter"


"Hass ist ein „intensives Gefühl der Abneigung gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen“ und kann zu aggressiven Handlungen gegenüber den Hassobjekten führen. Ursache ist meist die Bedrohung oder Kränkung des eigenen Selbstwertgefühls." beschreibt Wikipedia den Hass


Im Lauf meiner Tätigkeit war ich immer wieder mit Wut und Hass konfrontiert. Das zeigte sich in bitterbösen Mails und Briefen, in hasserfüllten Botschaften und manchmal in Bedrohungen. Viele dieser teilweise anonymen Botschaften kamen aus rechten Kreisen, von Chemtrail-Gläubigen, Atomkraft-Befürworten, Klimawandelleugnern, Windkraftgegnern und teilweise waren sie auch nicht zuzuordnen.
Erschreckend empfand ich solche Nachrichten immer dann, wenn sie aus der "eigenen" Szene kamen. Die Haltung "Mein Thema und meine Meinung sind das wichtigste der Welt und Abweichungen davon sind nicht erlaubt" nimmt in unserer Gier-Gesellschaft überall zu. Es gibt auch in "unseren Reihen" zunehmende Intoleranz und immer wieder Menschen die jeden, der ihre Haltung, Meinung und Ansicht nicht teilt, für einen Feind und Verräter halten. Der Umgang mit diesem Hass fällt mir zunehmend schwer.
Was wir brauchen ist der kluge, differenzierte Streit um Inhalte und unsere humanistischen Ziele müssen den Weg zum Ziel bestimmen.
Ich habe kein Problem mit gerechtem, reflektiertem Zorn, den wir in diesen Zeiten dringen brauchen.
Axel Mayer