Lachs, Rhein & EDF: Neue Fischtreppen in Rhinau und Marckolsheim & kleine Erfolge
Veröffentlicht am 25.05.2024 von Axel Mayer
Lachs, Rhein & EDF: Neue Fischtreppen in Rhinau und Marckolsheim. Erfolge im mühsamen Kampf für die Fischfauna und für die Rückkehr der Lachse
Ein kleiner, großer Erfolg der europäisch zusammenarbeitenden Umwelt- und Naturschutzbewegung zeigt sich gerade in zwei 80 Millionen Euro-Riesenbauwerken im elsässischen Rhinau und Marckolsheim. Nicht immer ist die Freude der Umweltschützenden über massive Baumaßnahmen so groß, wie bei diesen zwei Baustellen am Rhein. Endlich gebaut werden zwei seit Jahrzehnten geforderte Fischpässe am Oberrhein.
Was der Mensch den Gewässern, dem Rhein und seinen Zuflüssen angetan hat,
lässt sich am besten am Beispiel des Lachses aufzeigen. Der Rhein war vor mehr als hundert Jahren der größte Lachsfluss Europas: Rund eine Million(!) Lachse schwammen im Rhein. In den fünfziger Jahren starb der Rhein-Lachs vollständig aus, die ursprüngliche Population war verschwunden und wurde durch aufwändige Nachzuchten aus Loire und Allier ersetzt. Wir reden und lesen in diesen Zusammenhängen gerne von "ausgestorben" oder "verschwunden". Das klingt so schön nach "still von uns gegangen" und benennt nicht unsere Verantwortung. Doch das einzig treffende Wort für dieses Verschwinden ist der Begriff "ausgerottet". Die regionale und globale Artenausrottung ist kein Phänomen der letzten 20 Jahre, sie hat sich aktuell nur global etwas beschleunigt. Heute ist es eine Mediensensation, wenn es wieder einmal ein einzelner Lachs in einen der Rheinzuflüsse am Oberrhein geschafft hat. Nach über fünfzig Jahren wurde im Jahr 2005 erstmals wieder Lachslaich in der Kinzig und damit im baden-württembergischen Rheingebiet entdeckt. Dazu kamen nach und nach einzelne Funde in der Murg und der Elz.
Der in Zuchtstationen herangezogene und ins Meer gewanderte Lachs will an den Oberrhein zurück
und in die Bäche der Schweiz, im Elsass und im Schwarzwald zurückkehren. Die wenigen Lachse, die in den letzten Jahren in den oberen Nebenflüssen des Rheins gefunden wurden, waren "Schleußentaucher". An der neuen Rhein-Staustufe bei Straßburg ist schon im Jahr 2016 für 16,5 Millionen Euro eine Fischtreppe gebaut worden. Aktuell versperren immer noch drei französische Kraftwerke/Staustufen (Rhinau, Marckolsheim, Vogelgrün) die Lachs-Wanderung und den Aufstieg und der Fortschritt war und ist bei der EDF leider eine Schnecke. In die Vogesenbäche konnten die aufsteigenden Lachse schon lange aufsteigen, da die Ill parallel zum Rhein fließt.
Rhein, Lachs & EDF
Seit vielen Jahrzehnten macht der französische Energieversorger Électricité de France satte Gewinne mit seinen abgeschriebenen alten Wasserkraftwerken am Rhein. Durch den Versailler Vertrag erhielt Frankreich im Jahr 1919 das Recht zur beliebigen Ableitung von Rheinwasser sowie zur Nutzung der Wasserkraft des Rheins im Grenzabschnitt. 1928 wurde nahe Basel, bei der Staustufe Kembs, mit dem Bau des Kanals begonnen und nach dem Krieg, um das Jahr 1950, wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen und bis nach Breisach fortgeführt, ohne an Fischtreppen zu denken.
Es war ein europäischer Umwelt- und Naturschutzskandal, dass lange Jahre an vielen großen französischen Wasserkraftwerken am Rhein immer noch keine Fischtreppen gebaut wurden.
Endlich hat jetzt der jahrzehntelang geforderte Bau der Fischpässe in Rhinau und Marckolsheim begonnen! Dies ist auch ein Erfolg des kontinuierlichen Drucks der Umweltbewegung.
Die jetzt im Bau befindlichen Fischtreppen für 80 Millionen Euro in Rhinau und Marckolsheim zählen zu den größten in Frankreich und Europa.
Noch keine Lösung für Problemwehr Breisach / Vogelgrün
Der Bau einer Aufstiegshilfe für den Lachs bei Breisach / Vogelgrün ist technisch extrem aufwändig und kompliziert. Problemlösungen werden noch gesucht (Altrheinertüchtigung?). Es ist immer einfacher, einen Fluss zu zerstören, als ihn zu renaturieren.
Dennoch, der aktuelle Bau der Fischpässe in Rhinau und Marckolsheim ist ein wichtiger großer Teilerfolg der Umweltbewegung für die Fischfauna. Jetzt muss unbedingt noch das Problemwehr Breisach / Vogelgrün angegangen werden.
Trotz neuer Aufstiegshilfen: zunehmende Probleme für den Lachs
Vor hundert Jahren schwammen ca. eine Million Lachse im Rhein. Nach der Ausrottungsphase wurden und werden (auch mit Geldern nach der Sandoz-Katastrophe) Millionen Junglachse in den kleinen Schwarzwald- und Vogesenbächen ausgesetzt. Erste Lachse schafften den weiten Weg ins Meer und zurück. Doch selbst dieser minimale Erfolg ist aktuell gefährdet. Der Klimawandel erhitzt den Rhein und die kleinen Bäche fallen im Sommer manchmal trocken. Die im Rhein massiv zunehmenden eingeschleppten Welse fressen die Restlachse. Die viel zu kleine Zahl aufsteigender Lachse geht gerade massiv zurück. Doch die Fischtreppen nutzen ja nicht nur dem Lachs sondern der ganzen Fischfauna.
Wer den Lachs retten will,
sollte sich für den Klimaschutz und für die Energiewende engagieren. Und öfter mal Wels aus dem Rhein essen!
Auch nach der Fertigstellung der Fischpässe in Rhinau und Marckolsheim und nach der Problemlösung am Wehr Breisach / Vogelgrün gibt es für die Umweltbewegung und die EDF noch viel zu tun.
Und auch die Frage, warum Fischpässe immer so teuer sein müssen, sollte erlaubt sein. Planungsbüros verdienen an teuren Bauvorhaben einfach mehr als an effektiven, kostengünstigen Lösungen.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND-Geschäftsführer, 25.3.2024
Wichtiger Nachtrag:
In meinen 30 Jahren als BUND-Geschäftsführer war der aufsteigende Lachs eines von "tausend" Themen meiner Arbeit. Mein Dank geht an Nik Geiler vom AK Wasser im BBU, an die Aktiven der Kampagne Salmoncomeback und an die grenzüberschreitend arbeitenden Fischereiverbände, die sich jahrzehntelang in mühsamer Arbeit federführend um dieses wichtige europäische Großthema gekümmert haben.
Der Lachs und der Wassermangel im Rhein und seinen Zuflüssen. Immer öfter fallen Bäche und Flüsse (hier die südbadische Dreisam) im Hochsommer auf Teilstrecken trocken mit verheerenden Folgen (nicht nur) für den Lachs.Was tun?
- An erster Stelle steht selbstverständlich die Bekämpfung des Klimawandels, dessen Hauptursache das unbegrenzte Wachstum im begrenzten System Erde ist
- Wassersparen in allen Bereichen (private Haushalte, Industrie, Landwirtschaft) und nicht nur putzige Alibimaßnahmen
- Sanierung desGrundwassers und Verbesserung der Grundwasserqualität durch Vermeidung des Schadstoffeintrages (ein schlechtes Beispiel ist derBugginger Salzberg)
- Schwammstadtkonzepte
- Vermeidung weiterer Zersiedelung und Überbauung und Entsiegelung von bestehenden Asphalt- und Beton-Flächen, wo immer dies möglich ist
- Verstärkte Regenwasser- und Brauchwassernutzung
- Wo immer möglich, in trocken fallenden Gewässern "tiefe Gumpen" mit Grundwasseranschluss einbauen, um Fischen eine Überlebensmöglichkeit zu schaffen
- Renaturierung aller unserer Bäche und Flüsse
- Angesichts trocken fallender Bäche und der damit verbundenen Vernichtung von Flora und Fauna könnte langfristig eine möglichst naturnahe Wasserrückhaltung für unsere Bäche in allen Quellgebieten nötig sein, um Natur, Mensch, Fischen, Wasserkraftbetreibern und Landwirtschaft zumindest mit einer Mindestwassermenge in Extremsommern dienen zu können.
- Flächendeckende Vernässungsmaßnahmen (wo immer möglich) in Wäldern und Wiesenflächen
Mit Wasserverschmutzung, Begradigung, Kanalisierung, Stauwehren und Schleusen
haben wir schon in den letzten 150 Jahren den ehemaligen Lachs-Bestand im Rhein auf null reduziert. Jeder einzelne Lachs, der es heute wieder in das Flussgebiet am Oberrhein schafft, ist ein Erfolg der Umweltbewegung und der Fischereiverbände. Doch noch vor hundert Jahren war der Rhein der bedeutendste Lachsfluss Europas. Jahr um Jahr kehrten etwa eine Million(!) Lachse von ihrer langen Reise nach Grönland zurück in die Rheinzuflüsse im Schwarzwald, im Elsass und in die Schweizer Alpen. Um 1900 wurden allein aus dem Rhein jährlich ca. 85.000 Tonnen Lachs gefischt. Wir können uns auch nicht ansatzweise vorstellen, was wir verloren haben und was wir an anderer Stelle gerade verlieren.
Der Mensch im Anthropozän hat auf die Artenvielfalt eine ähnlich verheerende Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren.
Es gab und gibt positive und zunehmend leider negative Entwicklungen für den Rhein-Lachs:
Der Rhein und seine Zuflüsse wurden für Fische wieder durchlässiger und die Wasserqualität hat sich verbessert. In den letzten Jahrzehnten wanderten wieder jedes Jahr hunderte Lachse aus dem Atlantik ins Rheineinzugsgebiet, um hier in der kalten Jahreszeit zu laichen. Doch seit einigen Jahren steigt die Zahl nicht mehr. Sie scheint eher wieder zu sinken und geht in Teilbereichen gegen Null. Der Klimawandel, die extreme Wassererwärmung, Niedrigwasser im Rhein und seinen Zuflüssen, das sommerliche Trockenfallen von Laichgewässern, Schiffsschrauben, Fressfeinde wie der Wels und Kormoran, Krankheiten und Parasiten – all dies spielt wohl eine Rolle. Der Welsbestand des Rheines hat mittlerweile extreme Ausmasse angenommen, und es kann leider kein Zweifel daran bestehen, daß ein sehr grosser Teil der abwandernden Junglachse diesem Raubfisch zur Ernährung dient. Genaue, wissenschaftliche Erkentnisse gibt es noch nicht. Doch könnte angesichts trocken fallender Bäche langfristig eine teilweise Wasserrückhaltung für unsere Bäche nötig sein, um Natur, Mensch, Lachs, anderen Fischen zumindest mit einer Mindestwassermenge in Extremsommern dienen zu können. Auch eine weitere Verringerung von Mikroverunreinigungen mit Pflanzenschutzgiften, Medikamenten, Plastik und Röntgenkontrastmitteln in unseren Bächen ist unbedingt notwendig.
Papierfabrik Kaysersberg & Rheinverschmutzung 1994:Vorher ohne Kläranlage
Papierfabrik Kaysersberg & Rheinverschmutzung 1994: Nach dem Konflikt mit Kläranlage
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Rhein eine stinkende Kloake.
Wir erinnern uns an die vergangenen Konflikte um fehlende Kläranlagen bei Gemeinden und Fabriken. Eines von vielen Beispielen war das Forellengewässer Wutach, das durch die Einleitungen der Papierfabrik Neustadt zerstört wurde. Mit dem erfolgreichen Streit des BUND für eine Kläranlage der Papierfabrik Kaysersberg im Jahr 1994 konnte dieses unschöne Kapitel am Rhein und seinen Zuflüssen weitgehend abgeschlossen werden.
Die grobe Rheinverschmutzung hat nach langen Kämpfen abgenommen.
Doch die Konzentration von schwer abbaubaren Verbindungen im Rhein ist immer noch zu hoch. Dazu gehören Tausende von Industriechemikalien, aber auch Medikamente, Korrosionsverhinderer in Maschinengeschirrspülmitteln oder Bestandteile in Sonnenschutzmitteln. Obwohl diese Substanzen nur in Konzentrationen von Millionstel Gramm pro Liter Rheinwasser vorkommen, entfalten sie als „Pseudohormone“ hormonähnliche oder andere schädliche Wirkungen in Gewässerorganismen. Dazu kommt verstärkt Mikroplastik.
Es gibt aber noch ein anderes Problem,
das dem Lachs die Rückreise schwer macht. In Holland können die von Grönland kommenden Lachse nämlich nur schwer im Rhein aufsteigen, denn das ganze Rheindelta ist mit riesigen Hochwasserschutzanlagen und Deichen verbarrikadiert worden. Holland schützt sich so gegen die Meeresfluten. Nur wenige rückkehrende Fische gelangen über “Schleichwege” via den Rotterdamer Hafen in den Rhein. Das Gleiche gilt in geringerem Masse auch für die aus dem Strom kommenden absteigenden jungen Wanderfische.
Fast 50 Jahre lang war der Zugang von der Nordsee in Richtung Rhein praktisch hermetisch abgeriegelt. Das hat sich nun geändert. Dank des Druckes und Lobbying von Umweltorganisationen werden die Tore des Schleusenkomplexes Haringvliet südlich von Rotterdam jetzt um ein paar Zentimeter geöffnet. Seit Anfang 2019 wurde mit der Öffnung der angelehnten Schleusen des Haringvliet begonnen. Auch gentechnisch veränderte Lachse, die aus Zuchtanstalten ausbrechen, gefährden die bisherigen Erfolge der Wiederansiedlung.
Die mühsam erkämpften Erfolge in Sachen Rhein,
Lachs, Wasserqualität und Durchgängigkeit sind beachtlich. Wenn heute der Rhein und andere Gewässer wieder sauberer sind, wenn in Bächen und Flüssen gebadet werden kann und erste Lachse im Rhein aufsteigen, dann wurden solche Erfolge immer auch erkämpft. Mit den frühen Kämpfen für Kläranlagen begannen Veränderungen, die heute, im Zeitalter des Anthropozän, einer Zeit des Überkonsums, der Artenausrottung und der Klimakatastrophe immer noch ganz am Anfang stehen.
Auch am Rhein undseinen Zuflüssen muss sich in Sachen Wasserqualität, Durchgängigkeit und Renaturierung (Rheinprogramm!) noch viel tun. Es gilt lokale Egoismen zu überwinden.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND-Geschäftsführer
Mein Dank geht an Nikolaus Geiler vom BBU, der sich seit Jahrzehnten für unsere Gewässer engagiert.