2024 / Renaturierung: Elz, Dreisam, Kinzig, Glotter - Erfolg für Mensch und Natur
Veröffentlicht am 06.08.2024 in der Kategorie Natur & Naturschutz von Axel Mayer
Renaturierung: Elz, Dreisam, Kinzig, Glotter /
Natur(-Museen) aus zweiter Hand
Über zwei Jahrzehnte hatte BUND-Geschäftsführer Axel Mayer beim BUND am Südlichen Oberrhein einen Traum. Am Anfang stand der jahrzehntelange, mühsam-erfolgreiche Kampf um eine bessere Wasserqualität der Gewässer am Oberrhein. Danach konnten wir endlich die Renaturierung der zu gerade gestreckten Kanälen geronnenen Bäche am Oberrhein, von Elz, Dreisam, Kinzig, Glotter angehen... Wir hatten den frühen Traum von naturnahnen Bächen und grünen, naturverbindenden Bändern von den Rheinauen zum Schwarzwald.
Wenn jetzt (nicht nur) an der Elz zwischen Köndringen und Riegel die Dämme zurückverlegt sind, wenn aus der "Bach-Autobahn Elz" auf ersten Teilstücken ein mäandernder Fluss mit Kiesbänken und Auen wurde, wenn der Flussregenpfeifer und der Lachs zurückkehren, dann hat das auch damit zu tun, dass aus dem Traum auch eine ständig wiederholte BUND-Forderung an die politisch Verantwortlichen wurde.
Um aus einem Traum Realität werden zu lassen, braucht es manchmal auch Geld. Mit den Ausgleichsgeldern für den Bahnausbau am Oberrhein, stand plötzlich viel Geld zu Verfügung. Von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer kam die Forderung nicht, "mit der Gießkanne der Ersatzbiotope" über´s Land zu gehen, sondern sich auf die Bäche zu konzentrieren.
Aus dem Jahr 2002 stammt dieser wichtige BUND-Brief den sie vollständig unten auf dieser Seite finden:
(...)Die problematischsten Aspekte der Bahn-Neubaustrecke sind der Flächenverbrauch und die Landschaftszerschneidung. Wir brauchen also Projekte, die genau an diesen Problemfeldern ansetzen.
In der Vergangenheit wurden die meisten Mittel- und Unterläufe unserer Bäche und Flüsse zu gerade gestreckten, kanalisierten, naturfernen Kanälen umgebaut. Gerade Elz, Dreisam, Glotter, Acher, Rench, Kinzig und Schutter, - diese landschaftsprägenden Gewässer unserer Heimat könnten durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Dammrückverlegungen, ökologisch aufgewertet und renaturiert werden.
Grüne Bänder, d.h. breite, naturnahe Korridore, teilweise mit Auecharakter, zwischen Schwarzwald und Rheinaue sollten als Ziel angestrebt werden(...)
Axel Mayer
Und es blieb nicht bei diesem einen BUND-Brief. Immer wieder wurde der "alten" Forderung Nachdruck verliehen und es folgte eine intensive, langjährige Pressearbeit. Der BUND-Regionalverband hat tausende Plakate und Postkarten gedruckt und auch Anzeigen in den lokalen Medien geschaltet. Die Renaturierung war auch ein wichtiger Punkt unserer BUND-Stellungnahme zum Bahnausbau...
Elz, Kinzig, Dreisam... BUND Postkarte und Plakat
Heute sind auf großen, ersten Flächen an Elz und Dreisam wertvolle Biotope und Hochwasserrückhalteräume entstanden. Dämme wurden zurückverlegt, die Bäche können mäandern, auf großen Kiesflächen brüten Vögel und das kiesreiche Geschiebe wartet auf den wiederkehrenden Lachs, für den der BUND auch den Rhein endlich wieder durchgängig machen möchte.
Der Erfolg hat viele Väter und Mütter und der BUND möchte sich auch bei allen bedanken, die mitgeholfen haben, den alten Traum Realität werden zu lassen.
Falsche Ängste
Die immer wieder kehrenden Hochwasser im Schwarzwald und an der Elz und Dreisam zeigen auch den wichtigen zweiten Aspekt der Renaturierung unserer Flüsse, den Hochwasserschutz. Zumindest ein kleiner Teil des Hochwassers wird jetzt zurückgehalten und gebremst. Angesichts der sichtbaren Erfolge für Mensch und Natur ist der Widerstand gegen die Renaturierung anderer Flußabschnitte und gegen die ökologischen Aspekte des Integrierten Reinprogramms immer unverständlicher. So wurde auch bei der Elz-Renaturierung gezielt die Angst vor der drohenden Vermüllung aufgebaut. Es gibt tatsächlich ein kleines Plastik-Problem, aber das ist beherrschbar und der große Erfolg für die Natur ist unübersehbar.
Daten zur Revitalisierung der Elz bei Riegel und bei Köndringen
1. Revitalisierung der Elz bei Riegel:
Gesamtfläche: 22 ha
Retentionsvolumen: 100.000 m³
Gesamtkosten DB: 3,1 Mio €
Kosten Dammsanierung: 2,2 Mio €
2. Revitalisierung der Elz bei Köndringen:
Gesamtfläche: 25 ha
Retentionsvolumen: 280.000 m³
Gesamtkosten DB: 3,7 Mio €
Kosten Dammsanierung: 2,6 Mio €
Quelle: Regierungspräsidium Freiburg
Der BUND bedankt sich auch bei den Planungsbehörden und ist zufrieden und unzufrieden. Manches steht noch am Anfang. Konflikte zwischen Naturschutz und Naturnützern müssen gelöst werden und viele, viele, trostlose, kanalisierte Bachabschnitte warten noch auf die Renaturierung. Die Behörden "lieben" teure Ausgleichsmaßnahmen, denn je teurer diese sind, desto weniger Flächen werden in Anspruch genommen. Die Natur braucht aber mehr reale Flächen als Ausgleich. Wir freuen uns über einige Hektar neue Auen und wissen, dass es in unserem Nachbarland Frankreich, entlang von Loire und Allier hunderte von Kilometern naturnahe Flusswälder und recht frei fließende Bäche und Flüsse gibt. In der geschundenen Restnatur am Oberrhein werden Naturflächen immer mehr zu kleinen Natur-Museen in einer zugebauten Landschaft.
Grillmeister & Flussregenpfeifer
Es ist faszinierend zu sehen, wie Menschen und Tiere sich die neue Wildnis zurückerobern. Eine natürliche Kiesbank lockt zum Baden und Grillen. Und auch bedrohte und scheue Arten wie der Flussregenpfeifer kommen vorsichtig zurück. Doch Grillmeister & bedrohte Arten wie der Flussregenpfeifer auf der gleichen Kiesbank vertragen sich nicht. Die Eier des seltenen Vogels lassen sich von runden Kieseln fast nicht unterscheiden und werden leicht zertreten. Darum wurden öffentlich zugängliche Areale und Gebiete für die bedrohte Natur geschaffen und es ist wichtig und sinnvoll, diese Trennung auch zu akzeptieren.
Die Brutzeit der Flussregenpfeifer erstreckt sich von April bis Juli. Das fast unsichtbare Nest ist eine Mulde im Boden und wird mit Pflanzenteilen und anderen Materialien ausgelegt. Es findet sich am offenen Boden oder in niedriger Vegetation und steht selten weit vom Wasser entfernt. Oft werden kleine Inseln in einem See oder Fluss als Niststandort genutzt. Das Weibchen legt vier Eier, die durch ihr Farbmuster gut getarnt sind. Die Schalenfarbe ist steingrau bis cremefarben mit kleinen braunen Tupfen und Stricheln. Die Brutdauer beträgt 24 bis 25 Tage.
Die innenstadtnahe Renaturierung der Dreisam
wird von den Menschen als Freizeitgelände sehr gut angenommen. In einem immer naturferneren Umfeld ist dies sehr erfreulich. Dennoch stellt sich für den BUND die Frage, ob Naherholungsgebiete tatsächlich mit Ausgleichsgeldern aus Naturzerstörung finanziert werden sollten.
Renaturierte Elz - Besucherdruck - Hund & Kiebitz...
Peter Berthold der bekannte Ornithologe und Bestsellerautor beschreibt in einem mehr als lesenswerten Beitrag in der Frankfurter Rundschau das Problem vieler Naturschutzgebiete:
"Da hinten im Ried in Möggingen haben immer Kiebitze gebrütet. Vor ungefähr zwanzig Jahren, ich könnte nachgucken, wann genau, haben sie aufgehört zu brüten. In diesem Gebiet ist früher im Winter mal ein einzelner Bauer zu Fuß unterwegs gewesen, mit einer Handsäge über der Schulter und einer Axt, und der hat an einer Hecke ein bisschen Brennholz geschnitten und geschlagen, das er später mit dem Pferdefuhrwerk heimgeholt hat. Das war alles. Wenn Sie heute im Januar, Februar, März an einem schönen Sonntag rausgehen, sind in demselben Gebiet, in dem früher dieser einzelne Mensch gelaufen ist, unter Umständen zweihundertfünfzig Leute unterwegs und mindestens fünfzig Hunde in allen Größen und Schattierungen, die sich fast alle unangeleint im Naturschutzgebiet herumtreiben. Wenn da ein einziger Kiebitz noch irgendwo sitzt, der sich vielleicht überlegt, ob er hier brüten könnte, dann steigt der auf, macht seinen „Whääähh! Whääähh!“-Warnruf, fliegt weiß Gott wie weit, hat fast keine Möglichkeit, irgendwo zu landen, weil überall Leute unterwegs sind, und verlässt das Gebiet. Der wird nie und nimmer in diesem Gebiet anfangen zu brüten. Denn freilaufende Hunde, das heißt für ihn: Das ist Wolfsgebiet, das regelmäßig bestrichen wird, und wenn er dort ein Gelege hat, wird das von den Viechern gefunden und aufgefressen. Das ist für ihn völlig indiskutabel."
Die neuen Natur-Flächen sind schön und wertvoll
und dennoch immer auch erkennbar "Reparatur" und wir wissen, dass gerade jetzt mit europäischen Geldern in Südosteuropa die letzten frei fließenden Flusssysteme zerstört und die alten Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. So ist das Glas halb voll und halb leer, aber ohne den Druck des BUND und der Umweltbewegung wäre es ganz leer...
Die Natur aus zweiter Hand an Elz, Dreisam, Kinzig und Glotter wird sich entwickeln. Kommende Hochwasser werden sie mehr verändern als manche Planer heute planen und wir warten auf Lachs und Flussregenpfeifer.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-) BUND Geschäftsführer
Nachtrag: Warum ist die Renaturierung von Elz, Glotter und Dreisam so teuer?
Bei der sinnvollen und dringend notwendigen Renaturierung unserer Bäche und Flüsse fallen immer wieder die enormen Kosten von vielen Millionen Euro auf.
Das ist auf zwei Phänomene zurückzuführen:
* Wenn der Staat (also wir) auf die private Wirtschaft trifft, wird der Staat häufig über den Tisch gezogen.
* Auch Naturschützende zahlen Steuern und haben ein Interesse an gutem und kostengünstigen Naturschutz. Darum wünschen wir uns für die Renaturierung möglichst weiträumige Dammrückverlegungen und möglichst wenig teure "Ingenieur-Biologie". Ingenieur-Biologie" ist aus Gründen der Sicherheit manchmal nicht zu vermeiden. Überall dort, wo es um Natur und nicht um Sicherheit geht, sollte sie wenn möglich vermieden werden. In den geweiteten Bachläufen schafft das Hochwasser selbst die Natur.
Elz Renaturierung: Hochwasser im Januar 2018
Ein Artikel aus Der Badischen Zeitung vom 29.4.2017 zeigt, dass die alten Forderungen langsam Realtität werden.
Nachtrag:
Die wenigen historischen Altstädte und die restlichen Naturschutzgebiete in der Rheinebene verbindet eines: Sie sind zunehmend Inseln in einem Meer von Scheußlichkeit.
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Genau in dieser Frage unterscheiden sich gemeinwohlorientierte Naturschutzverbände von egoistischen Bürgerinitiativen.
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