2024 / Blaue Banane: Traum, Albtraum, Kritik an der Megapolis, dem zentraleuropäischen Verdichtungsraum
Veröffentlicht am 24.06.2024 in der Kategorie Flächenverbrauch von Axel Mayer
Blaue Banane: Traum, Albtraum, Flächenverbrauch & Kritik / Der zentraleuropäische Verdichtungsraum und die schwindende Lebensqualität
Im Jahr 1989 hatte einer Gruppe um den Franzosen Roger Brunet eine Idee. Sie beschrieben ein Wachstumsmodell für Europa, das den Kontinent dabei in sogenannte Aktiv- und Passivräume, in Gewinner- und Verliererregionen untergliedert. Aus französischer Sicht war dieses Modell eine Warnung, denn der Großraum Paris könnte zu den Verlierern gehören.
Die Blaue Banane bezeichnet eine dicht bevölkerte Zone,
einen bandförmig - breiartigen verdichteten europäischen Großraum zwischen irischer See und Mittelmeer, dessen Urbanisierung eine Kette von zusammenwuchernden Agglomerationen mit bisher rund 111 Millionen Einwohnern bildet. Vorbild dieses wirtschaftsgeografischen Modells sind die anderen Verdichtungsräumen der Welt, etwa die großen Ballungsräume an den Küsten und großen Flüssen Asiens, wie dem japanischen Taiheiyō Belt.
Der mit dem Begriff Blaue Banane gekennzeichnete zentraleuropäische Verdichtungsraum
ist bisher kein Ergebnis einer konkreten, abgesprochenen Planung, dennoch entfaltet er schon jetzt eine Sogwirkung. Ein Großteil der institutionellen Zentren der EU sowie fünf Hauptstädte befinden sich im Bereich der Euro-Banane. Der nördlichste Teil des zentraleuropäischen Ballungsraums liegt im Süden und Zentrum Großbritanniens, in den Industriestädten Liverpool, Manchester, Birmingham und London. Auf dem europäischen Festland geht es dann weiter nach Nordbelgien, in den Süden der Niederlande und in das Ruhrgebiet. Zwischen Frankfurt und Basel bietet sich der Rheingraben als Industrie- und Siedlungszone an. Über die Ballungsgebiete der Schweiz geht es dann, kurz unterbrochen durch die Alpen, nach Norditalien, nach Mailand und Bologna.
Neben der wirtschaftlichen Stärke gilt auch die hohe Bevölkerungskonzentration als weiteres Abgrenzungskriterium. So lebten zeitweise ca. 40 % der EU-Bevölkerung innerhalb des Gürtels und die Zahl soll auf Kosten der Peripherie weiter wachsen. Häufig werben schon jetzt Städte und Regionen mit ihrer Lage innerhalb der Blauen Banane als Standortvorteil für Unternehmensansiedlungen.
Der sich selbst erfüllende (Alb-)Traum diese Megapole wurde und wird getrieben vom zutiefst zerstörerischen Glauben an die Kräfte des freien Marktes, der globalen Megamaschine und des unbegrenzten Wachstums im begrenzten System Erde. Dieser Traum ist auch verantwortlich für Klimakatastrophe, Atommüllproduktion und Artenausrottung.
Wer die anderen Verdichtungsräumen in der Welt kennt, der weiß, dass das Leben in diesen zumeist autogerechten Megapolen häufig mit Umweltverschmutzung und geringer Lebensqualität, mit Reichen-Ghettos, Armenvierteln und Verslumungstendenzen verbunden ist. Nachteile bringt die Blaue Banane für die Verlierer- und für die sogenannten Gewinnerregionen. Fahren Sie einmal in die sich entleerenden Regionen Ostdeutschlands oder in die französische Provinz, abseits der Metropolen. Schon jetzt wählen Menschen in den abgehängten europäischen Verliererregionen häufig extreme Parteien.
Der Oberrhein in der Blauen Banane
Flächenverbrauch & Blaue Banane am Oberrhein: Der Verlust der Vielfalt
Wer auf der B3 von Müllheim nach Offenburg fährt, sieht immer weniger Natur. Es entsteht ein durchgängiger, gesichtsloser Siedlungsbrei. Zwischen Freiburg und Offenburg bleiben auf der Strecke von 68 Kilometern heute nur noch 17 Kilometer Freiraum. Auf beiden Rheinseiten wuchern ohne jegliche erkennbare Raumordnung die hässlichen, neonschrillen Ortseinfahrten, Gewerbesteppen, Nichtarchitektur und die Billigbauten der Hypermarche-Kultur. Das schnelle Wachstum in der Ebene geschieht auch auf Kosten anderer Bundesländer und schrumpfender Dörfer im Schwarzwald. Wenn gegen jede Vernunft dennoch „gewachsen werden muss“, dann sollte sorgfältig, nachhaltig, flächensparend und unter überregionalen Aspekten klug geplant und weniger scheußlich gebaut werden.
1975 (!) als Raumordner und Regionalplaner noch mutiger (und weniger bürgermeisterabhängig) waren als heute, stand im Spiegel vom 29.09.1975:
"Sie zählte zum Besten, was Deutschland zu bieten hatte, die Tiefebene zwischen Schwarzwald und Vogesen, Odenwald und Pfälzer Wald. Sie wurde zu einer »reinen Verbrauchslandschaft«, die, so der Nachruf von Professor Wilhelm Schäfer, Leiter des Frankfurter Senckenberg-Instituts, an »vielen Orten das Gesicht barbarischer Zerstörung trägt. Jeder, der kann, säbelt sich ein Stück heraus.
»Wie eine Pestepidemie im Mittelalter«, berichtete Wolfgang Fuchs, Direktor des Regionalverbandes Südlicher Oberrhein, suchte die Nachkriegsprosperität die Oberrheinische Tiefebene heim. Von Norden nach Süden wucherten »Städtebänder, die immer stärker zu einem fantasielosen und funktionsgestörten Siedlungsbrei auseinanderlaufen gleich einer Schimmelpilzkultur auf einem Stück Käse«, beobachtete Südhessen-Planer Werner Zimmer.
Schon sprechen Planer von einer einzigen »Bandstadt Frankfurt-Basel« -so Kurt Becker-Marx vom Raumordnungsverband Rhein-Neckar" Zitatende
Die Aussagen und negativen Visionen aus dem Jahr 1975 entsprechen der heutigen Realität. Raumordnerische Fehlentwicklungen, ja ein Fehlen von Raumordnung lassen sich europaweit überall im angedachten Verdichtungsraum erkennen. Am Oberrhein wuchert entlang der Vorbergzone des Schwarzwaldes ein durchgängiger, gesichtsloser Siedlungsbrei. Klein gedachte Baugebiete wachsen zu hässlich wuchernden, breiartige Siedlungsstrukturen zusammen. Zwischen Freiburg und Offenburg bleiben auf der Strecke von 68 Kilometern heute nur noch 17 Kilometer Freiraum. Auf beiden Rheinseiten entstehen ohne jegliche erkennbare Raumordnung die hässlichen, neonschrillen Ortseinfahrten, Gewerbesteppen, Nichtarchitektur und die Billigbauten der Hypermarche-Kultur. Die herausgeputzten historischen Altstädte und die wenigen, restlichen Naturschutzgebiete in der Rheinebene verbindet eines: Sie sind zunehmend Inseln in einem Meer von Scheußlichkeit.
Die Idee der Blauen Banane wird im Netz
oder bei Wikipedia nur selten kritisch hinterfragt. Kritik entzündet sich nur an der Nichteinbeziehung der Megapolen Paris und Berlin ins bestehende Gedankenmodell. Da werden dann erweiterte Modelle wie eine "Kreuzbanane" oder ein "Blauer Stern" in die Debatte eingebracht.
Der unrealistische, menschenfeindliche Traum vom großen, glänzenden, unbegrenzten Dauerwachstum bestimmt immer noch das Denken der Planenden. Der Traum von der zentralen europäischen Arbeits- und Wohn-Fabrik passt gut ins zerstörerische Zeitalter des Anthropozän.
- Doch was bedeutet die Konzentration von Leben, Bauen und Arbeiten für die "Gewinner", für Menschen, Lebensqualität und Restnatur im zentraleuropäischen Siedlungsband?
- Was bedeutet diese Entwicklung für die Menschen in den abgehängten Verliererregionen?
- Ist der weltweite Trend zur Megapole ein Naturgesetz und lässt er sich nachhaltig und menschenfreundlich realisieren?
In Deutschland ist es Aufgabe des Staates, überall gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Das geht nur mit einer klugen, nachhaltigen, weitsichtigen und menschenfreundlichen Raumordnung und Planung und nicht nach den Gesetzen des Marktes und der Gier.
Politik, Medien, aber auch Umweltverbände diskutieren die Themen Flächenverbrauch, Zersiedelung und raumordnerische Entwicklung gerne "Kleinklein" am Beispiel des örtlichen Baugebietes. Wir sollten diese Themen endlich im größeren Rahmen diskutieren, um massive Fehlentwicklungen für Mensch, Natur und Nachhaltigkeit, wie im japanischen Taiheiyō Belt oder im Großraum Tokio zu verhindern. Die Schaffung gleichwertiger, nachhaltiger Lebensverhältnisse ist eine Aufgabe von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-) BUND-Geschäftsführer und Kreisrat in der Boom-Region am Oberrhein
Blaue Banane & Regionalplan am Südlichen Oberrhein: Flächenverbrauch, Zersiedelung & Verbreiung entlang der B3 von Freiburg bis Offenburg
Entlang der Bundesstraße 3 wächst zwischen Freiburg und Offenburg (aber auch im Markgräflerland) ein zunehmend hässliches Siedlungsband zusammen.
- Beginnt man die Rechnung am Nordrand Gundelfingens bis zum Südrand Offenburgs ergeben sich 17,7 km Freiraum und 32,4 km Siedlungsflächen (auf einer Gesamtstrecke von 50 km).
- Zählt man die Siedlungsgebiete von Freiburg/Gundelfingen (10,7 km) und Offenburg (7,6 km) dazu ergeben sich 17,7 km Freiraum und 50,3 km Siedlungsflächen (auf einer Gesamtstrecke von 68 km).
Grafik: Regionalverband Südlicher Oberrhein
Übersicht: Flächenverbrauch, Zersiedelung, Verscheußlichung, Ökopunkte-Betrug - Baden, Elsass, Metropolregion Oberrhein
Die "Blaue Banane." Der zentraleuropäische Verdichtungsraum, die europäische Megapole. Traum oder Albtraum?
Unbegrenztes Wachstum zerstört die Welt.
Unbegrenztes Wuchern, Verscheußlichung, Flächenverbrauch, Naturverlust, Verkehrszunahme, Verkehrslärm, Verbreiung, Autobahnausbau, Verlust landwirtschaftlicher Flächen, Architekturverbrechen, neonschrille Ortseinfahrten, Gewerbesteppen, Siedlungsbrei und fehlende Regionalplanungzerstören Heimat.
Linkliste Flächenverbrauch:
- Flächenverbrauch: Der Breisgau und Südbaden - Die Zerstörung einer Landschaft
- Oberrhein, Elsass, Südbaden: Flächenverbrauch – Zersiedelung – Verkehr – Verscheußlichung
- Die "Blaue Banane" / Der zentraleuropäische Verdichtungsraum: Traum oder Albtraum?
- Kritik: Regionalplanung, Flächenverbrauch & Zersiedelung
- Natur: Baden, Elsass & Oberrhein – Der stille Verlust der Vielfalt
- Der Kandel als Dreitausender / Flächenverbrauch und Erdaushub: Eine satirische Zuspitzung
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- 3) Im Zweifel, gerade in Kriegszeiten, ist die -Allgemeine Erklärung der Menschenrechte- immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.
Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.
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