Kein AKW in Kaiseraugst (CH) / D Ballade vo Kaiseraugschd vum Aernschd Born


Veröffentlicht am 25.01.2021 in der Kategorie Kultur von Axel Mayer

Kein Atomkraftwerk in Kaiseraugst (CH)!


Erste Auseinandersetzungen und Konflikte um das geplante AKW in Kaiseraugst bei Basel gab es seit den frühen 1970er Jahren. Die erste Standortbewilligung in Kaiseraugst wurde am 28. August 1972 für ein 850 MW Atomkraftwerk mit Kühltürmen ausgeschrieben. Die konkrete Projektierung begann im Jahre 1974.

Wenn heute an Atomprotest am Oberrhein erinnert wird, dann gilt dieses Erinnern zumeist dem Fessenheim-Protest oder dem durch eine Bauplatzbesetzung verhinderten AKW in Wyhl. Die erfolgreichen Proteste gegen das französische AKW in Gerstheim bei Strasbourg, gegen eine Brennelemente-Fabrik in Heitersheim und gegen das geplante Hochrhein-AKW in Schwörstadt werden meist vergessen. Auch in Breisach am Kaiserstuhl war 1971 der Bau eines der größten AKW-Standorte der Welt geplant. Alle diese Konflikte spielten auch in den Streit um Kaiseraugst hinein. Diese frühen, verzweifelt-hoffnungsfrohen, grenzüberschreitenden, ökologischen Konflikte im Dreyeckland brachen erstmals mit der vorherrschenden Nachkriegslogik der Gier, des Wachstumszwangs und der Zerstörung. Sie waren erste Zeichen der Hoffnung mit Fernwirkung und haben die globalen Zerstörungsprozesse entschleunigt.

Bei der erfolgreichen Bauplatzbesetzung ab dem 18. Februar 1975 in Wyhl gab es auch eine rege Unterstützung aus der Schweiz. Martin Dieterle aus Basel hatte in Wyhl auch zum Kaiseraugst-Protest aufgerufen.

Wenige Wochen nach der Wyhl-Besetzung im Februar, wurde am 1. April 1975 das Gelände des geplanten Schweizer Kraftwerkes zum zweiten Mal von Aktivisten und Aktivistinnen, von rund 15'000 Personen, mehrheitlich aus der Schweiz besetzt. Die bereits begonnenen Aushubarbeiten wurden von der Bevölkerung gestoppt. In der konservativen, wirtschaftsliberalen Schweiz war dies ein ungeheuerlicher Vorgang. Das "atomare Dorf der Schweiz", war damals schon sehr ausgeprägt. Ein undemokratischen Netzwerk von Abhängigkeiten und Verfilzungen von Politik, Verwaltung, Konzernen, Teilen der Medien mit der Atomindustrie.

Der geplante Baubeginn wurde deshalb nach elfwöchigem Widerstand der Demonstranten von den Behörden verschoben. Im Februar 1979 wurde der Informationspavillon des geplanten Kernkraftwerks von militanten Kraftwerksgegnern gesprengt.

Erinnerungssplitter
Ich erinnere mich an eine große Kaiseraugst-Demo an einem Sonntag nach Beginn der Besetzung. Gemeinsam mit einem Bus vom Kaiserstuhl waren wir in die Schweiz gefahren. Der Bus war voll mit aktiven Wyhl-Demonstranten, insbesondere Bauern. Und alle hatten sich "schick gemacht" für die "Demo im Ausland", d. h. Anzug, Krawatte und Sonntagskleid. Nur Babs & ich, die beiden Nichtlandwirte im Bus hatten wegen des extrem schlechten Wetters Gummistiefel und Regenkleidung dabei.
Es hatte geregnet, der von Baumaschinen aufgewühlte Bauplatz und Kundgebungsplatz war eine einzige Schlammwüste, wir standen bis zu den Knöcheln im Schlamm und die Sonntagskleidung der Landwirte war denkbar ungeeignet. Aber wenn´s schon einmal zur Demo ins Nachbarland geht, dann trägt der brave Kaiserstühler Sonntagsstaat. Dennoch war es eine wunderschöne Demo...


1987 wurde das Projekt aus vorgeschobenen wirtschaftlichen Gründen durch die Politik fallengelassen. Das Atomkraftwerk in Kaiseraugst war ebenso wie das benachbarte AKW in Schwörstadt(D)politisch nicht durchsetzbar.

Diese frühen, verzweifelt-hoffnungsfrohen, grenzüberschreitenden, ökologischen Konflikte im Dreyeckland (Breisach, Wyhl, Schwörstadt, Marckolsheim, Kaiseraugst, Gerstheim, Heitersheim...) brachen erstmals mit der vorherrschenden Nachkriegslogik der Gier, des Wachstumszwangs und der Zerstörung. Sie waren erste Zeichen der Hoffnung mit Fernwirkung und haben die globalen Zerstörungsprozesse entschleunigt.

Heute ballt sich dennoch das atomare Risiko am Hochrhein. Das älteste AKW der Welt strahlt in Beznau. Das AKW Leibstadt hat den gleichen Reaktortyp wie die AKWs in Fukushima. Dazu kommt das AKW in Gösgen und das atomare Zwischenlager, der Atommüllofen und die Atomfabrik in Würenlingen. Und wohin soll auch noch das atomare Endlager in einer viel zu dünnen Schicht Opalinuston? An den Hochrhein! Es gibt also immer noch zu tun.

Axel Mayer, Wyhl-Besetzer und Kaiseraugst-Demonstrant


d Ballade vo Kaiseraugschd vum Aernschd Born



Am 24. Novämber 1957 ischs in dr Schwiz zun er en Abschtimmig ko
S het e Mehrheit vo de mündige Männer bschlosse, dr Bund sölli Gsetz erlo
Über das was passiert mit Atomenergie, syne Kraftwärgg und syne Gfohre
Me gseht, dr Schtaat het gsorgt für uns, und das scho vor 18 Johre

Druf het dr Bund e Kommission ernennt
Mit gscheyte Lüt, wo me zum Deil hüt no kennt
Dr Herr Bonvin zum Bischpyl isch Ingenieur gsi
Bir Elektrowatt-Induschtrie

Am 23. Dezämber 1959 hets en Entscheid gä beträffend das Gsetz
D Paragraphevorschleg vo dr Kommission sin so irrsinnig toll gsi und jetz
Het dr National- und dr Schtänderot euphorisch drfür könne schtimme
Jetz kunnt die zweit induschtrielli Revolution! Die anderi bruche mer nümme.

Und sithär häm mir in dr Schwiz en Atomgsetz, wo jedem d Bewilligung schänggt
Wo Platz het und Schtütz het het für AKW zbaue und gnüegend an d Sicherheit dänggt

Falls es trotzdäm irgendwenn e Kataschtrophe sötti gä
Het d Versicherig dä Fall uf kei Fall welle übernä
Si zahle nit meh als nur vierzig Millione
Dr Schade hän die, wo do wohne

Vier Johr schpöter kauft d Motor Columbus in Kaiseraugscht Land und het en Idee
Do kiemt en Atomkraftwärgg ane mit Flusswasserküehlig und schpöter no meh
Und wenn dGägner behaupte, sgäb Küehltürm, denn sey das perfydischti Demagogie
So Turm wäre technisch und wirtschaftlich dumm, zum Küehle do gäbs jo dr Rhy

Und obwohl me verzellt het, es seygi nit gföhrlig
Und Kaiseraugscht gseit het, guet, bauet dört us
Verbietet dr Bund son e Flusswasserküehlig
Dr Rhy halti das nümmen us

S goht gar nit lang und do het d Motor Columbus scho widr e son en Idee
Es kiemte jetz eifach zwei Küehltürm dört ane, die däte dr Umwält nit weh
Und wo d Lyt vor Umgäbig sich gwehr hän und gseit hän
Jetz häm mer denn nodisno gnue
Hets gheissen, ihr hän jo erlaubt dass mir baue dert usse
Und jetzen isch Rueh

Me het alles probiert, het Beschwärdebrief gschribe
Ob Gmeind, ob Verein oder einzelni Lüt.
Au Kantön hän sich gwändet an Bundesrot, an s Bundesgricht
Aber gnutzt hets nüt.

Unterdesse het dr Bundesrot dr Mage gha zum sage
Är wurd in däre Sach für uns d Verantwortig trage
S isch unsere Liebe Herr Bonvin gsi
Dozmol Chef vo dr Gsamtenergie

Momänt – also zerscht isch er Ingenieur gsi bir Elektrowatt und denn isch är Bundesrot worde und het d Verantwortig gno für alli Atomkraftwärgg, au für Kaiseraugscht. Hejo – denn d Elektrowatt isch zu 5% beteiligt – das heisst – ihne ghört non en anderi Buden und die het au 5% und e dritti wo ihne ghört au. Und wäisch wäm d Elektrowatt ghört? Dr Schwizerische Kreditaaschtalt. Und wär sitzt denn dört im Verwaltigsrot? Dr Herr Celio. Und dä hoggt doch im Verwaltigsrot vo dr Alusuisse, wo 10% het in Kaiseraugscht. Und dAlusuisse macht Aluminium und für Aluminium z mache bruchts no meh als... no meh als... no meh? Aber dasch doch kuum möglig? Über 10% vo däm Schtrom wo mir bruchen im Land? Kei Wunder wän die en Atomkraftwärgg. Und d Motor Columbus bauts. Hejo, denn au die hän in Kaiseraugscht 5%.

Dr Verwaltigsrotspresidänt vo dr Firma Kaiseraugscht AG isch dr Herr Kohn. Dr Verwaltigsrotsdelegierti bi dr Motor Columbus isch dr Herr Kohn. Und dr Herr Generaldiräggder vom Induschtriekoloss Alusuisse isch dr Herr Kohn. Und wär isch Presidänt vom Verwltigsrot vo dr Aare-Tessin Elektrowärgg, wo 10% het in Kaiseraugscht und zur Hälfti dr Motor Columbus ghört? Dr Herr Kohn. Und in dr Schwizerische Gsamtenergiekonzeptionskommission, wo dr Bundesrot ernennt het, wär isch dort dr Presidänt? Wäreliwäreliwäreliwär?

Dr Herr Kohn, wo in däm Gremium plane wird, wievyl Schtrom, dass es brucht
In de nöggschte Johrzähnt ungefähr
Und me seit is, es bruchi jedes Johr meh Schtrom, für dass es no Liecht het im Huus.
Und will mer jedes Johr 5% meh wän vergeude (das wäm mer doch, oder?)
Ischs nötig, dass Atomkraftwärgg entschtöhn
Denn ohni die, wird uns immer widr ybläut, häm mer nur no Kerzeliecht im Huus.

Mir hän no kei Atomkraftwärgg und hän doch Liecht dehei. Jä, wenns schpöter eimol Kerze bruucht, wo ane goht dr Schtrom? Wär macht is Angscht für dass er sälber nümme Schiss mues ha, ächt dä, won is dr Schtrom verkauft, wo mir ihm zahle?
Mir hän dr Atomschtrom, die dr Gwünn.

Und d Motor Columbus ghört dr Alusuisse und die hän vier Verwaltigsrot br Brown Boveri Companie. Und sälli hälfe mit bim Bau vom AKW und hän au ei Verwaltigsrot in Kaiseraugscht. Und dr Chef dört isch dr Herr Kohn. Und ei Verwaltigsrot vom KKW in Kaiseraugscht dä finde mir im Schwizerische Banggverein hets widr vier Verwaltigsröt, wo hoggen in dr Brown Boveri Companie, und die hän einen in dr Centralschwizerische Kraftwärgg und die sin dr Eleggtrowatt.
Dr Herr Bonvin isch jetze Verwaltigsrot dört
Wie sich das für Altbundesröt ghört

S isch klar, dass d Mafia im März 75 in Kaiseraugscht het aafo baue
Si hän aagno, mir wurde so blind wie si sunsch sin für uns, de Behörde vertraue
Und die hän verzellt, do dra gäbs nüt me zrüttle, mir durfte die Gsetz nit verletze
Doch e paar hän sich gseit, das lön mir is nit gfalle, sin am 1. April go bsetze

Si sin vor d Laschtwäge ghoggt und hän zältlet dört us
S het zwor Pflutter gha, Rägen und Schnee
Doch Buure hän Holz brocht und jede Dag Milch
Und ko bsetze sin immer meh

Es sin hunderti ko, s het e Dorf gä dört us
In dr ganze Region hän is Lyt unterschtützt
Und jetz müen d Behörde verhandle mit uns
Me gseht, was mer gmacht hän het gnützt
Bis jetz
Drum, wem mer en eigeni Meinig hän
Als die, won is öppis befähle wän
Und wem mir öppis erreiche wän
Schaffe mer eins, zwei, vyli Kaiseraugscht

Aernschd Born
Und hier das wunderbare Lied über Atomkraft und Atomfilz auf youtube




Protest & Bauplatzbesetzung: Wyhl, Kaiseraugust, Marckolsheim, Gerstheim


"Wenn das AKW Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus", sagte Ministerpräsident und Marinestabsrichter a.D. Hans Filbinger 1975. „Wenn wir die letzten drei AKW abschalten, gehen in Deutschland die Lichter aus“, drohen die atomar-fossilen Seilschaften heute. Die Zeiten ändern sich, aber die perfekt organisierten und immer wirksamen Angstkampagnen bleiben.
Axel Mayer