1975-2025: Hans Filbinger und das Atomkraftwerk Wyhl: Landesvater, Atom-Lobbyist und NS-Täter


Veröffentlicht am 12.07.2024 in der Kategorie Umweltgeschichte von Axel Mayer

Hans Filbinger und das AKW Wyhl: "Landesvater" und NS-Täter.


„Ohne das Kernkraftwerk Wyhl werden zum Ende des Jahrzehnts in Baden-Württemberg die ersten Lichter ausgehen.“
Ministerpräsident und Marinestabsrichter a.D. Hans Filbinger 1975.

Es ist heute, mit 5 Jahrzehnten Abstand, unvorstellbar. Von 1966 bis 1978 war Hans Filbinger der CDU Ministerpräsident Baden-Württembergs. Er war für vier Todesurteile mitverantwortlich, die er, damals NSDAP-Mitglied, als Marinerichter 1943 und 1945 beantragt oder gefällt hatte.
Als wäre nichts geschehen, machten sie nach 1945 in der jungen Bundesrepublik wieder Karriere: Die Täter des "Dritten Reichs". Lebensläufe wurden schamlos geschönt und gefälscht und die braunen Flecken in der Geschichte getilgt. Die braunen Seilschaften garantierten Karrieren in Wirtschaft, Justiz und Politik. Einer der Täter, Hans Filbinger, schaffte es an die politische Spitze des Landes Baden-Württemberg. Die Anfangs große Zustimmung zu ihm und seiner Politik sagt viel über die bleierne Nachkriegszeit und ihre Verdrängungen aus.



Das AKW Wyhl, Walter Mossmann & Hans Filbinger
Die kompromisslose Haltung von Ministerpräsident Hans Filbinger und seine Unterstützung der ersten Polizeieinsätze im Wyhler Wald brachten ihm damals viel Kritik, gerade auch am konservativen Kaiserstuhl ein. Am 8. Oktober 1976 demonstrierten rund 1000 Menschen gegen den CDU-Ministerpräsidenten in Kiechlinsbergen. Nach einem ARD-Bericht in der Serie "Vor Ort", in dem Protestierende kommentarlos zitiert wurden, verlangte er, dass sämtliche ARD-Reportagen ausgewogen sein sollten. Zudem verlangte er vom Südwestfunk erfolgreich eine „Wiedergutmachungssendung“ zum Thema, in der er selbst und andere Vertreter der Kernenergie zu Wort kommen sollten. Am 17. Februar 1975 rücken in Wyhl die Baumaschinen an. Einen Tag später klettern die Menschen auf die Planierraupen, besetzen den Bauplatz. Am nächsten Tag macht der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger die Drahtzieher aus und sagt:
„An diesen Aktionen hat sich eine beträchtliche Gruppe von Linksextremisten und Kommunisten aus allen Teilen des Bundesgebietes beteiligt.“ Doch die Besetzerinnen und Besetzer sind überwiegend Einheimische, darunter viele konservative Winzerinnen und Bauern. So stieg die Wut in der Region und aus dieser konstruktiven Wut wuchs auch der erfolgreiche Protest. Mit Abstand gesehen war der reaktionäre Hans Filbinger eigentlich ein widerstandsverstärkender "Idealgegner".

Der Begriff konservativ kommt von lateinisch conservare „erhalten, bewahren“ oder auch „etwas in seinem Zusammenhang erhalten“. Es war und ist erstaunlich, dass ausgerechnet die konservativen und rechten Parteien, die im Wahlkampf immer am lautesten mit dem Heimatbegriff argumentieren, für die heimatgefährdende Atomkraft waren und sind.

Eine von Walter Mossmanns berühmten Balladen, in Wyhl vielfach vorgetragen, ist die vom fahnenflüchtigen Matrosen Walter Gröger, an dessen Hinrichtung der Marinerichter und spätere Ministerpräsident Hans Filbinger 1945 maßgeblich beteiligt war: "Den heimwehkranken Matrosen traf zehnmal die Kugel aus Blei. In sauber gebügelten Hosen stand Herr Filbinger aufrecht dabei."


Hans Filbinger und das AKW Wyhl: Plakat-Montage, aufgenommen auf dem Bauplatz des AKW Wyhl

Der erfolgreiche Protest gegen das AKW Wyhl war auch der Anfang vom politischen Ende von Hans Filbinger
Die politische Karriere Filbingers war bis zum Wyhl-Konflikt steil verlaufen. Doch der Wyhl-Protest, insbesondere aber seine Tätigkeit als Marinerichter im Nationalsozialismus wurden ihm zum Verhängnis. Im August 1978 trat er zurück. Er war in der Nazi-Zeit Marinerichter und Mitglied der NSDAP.
Filbinger war laut Wikipedia an mindestens 234 Marinestrafverfahren beteiligt, 169-mal als Vorsitzender Richter, 63-mal als Ankläger. In vier Fällen ging es um Todesstrafen, die Filbinger je zweimal beantragt bzw. gefällt hatte. Diese Fälle wurden 1978 aufgedeckt.
"Walter Gröger war ein Matrose der deutschen Kriegsmarine während des Zweiten Weltkriegs. 1943 versuchte er sich der weiteren Beteiligung an den Kriegshandlungen zu entziehen, wurde verhaftet und zunächst zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Wenige Monate vor Kriegsende wurde das Urteil mit dem Vorwurf der Fahnenflucht ins Ausland in ein Todesurteil umgewandelt und Gröger daraufhin erschossen. Den Antrag dazu stellte der damalige Marinestabsrichter des NS-Regimes, Hans Filbinger. Im Verlauf der Filbinger-Affäre 1978 entdeckte und veröffentlichte der Dichter Rolf Hochhuth den Fall Walter Gröger.
In Gerichtsakten der NS-Zeit wurden vier Todesurteile entdeckt, an denen Filbinger beteiligt gewesen war. Im ersten Fall, dem des Matrosen Walter Gröger, hatte er als Ankläger ein Todesurteil beantragt und dieses dann bestätigen und vollstrecken lassen. In zwei Fällen hatte er geflohene Deserteure in Abwesenheit als Richter verurteilt. Im vierten Fall wurde auf seinen Antrag ein Todesurteil verhängt, das nicht vollstreckt, sondern in eine Lagerhaftstrafe umgewandelt wurde. Der Verurteilte starb bei deren Verbüßung.
Nach dem ersten Fund bestritt Filbinger seine Mitwirkung an weiteren Todesurteilen zunächst. Nach den weiteren Funden gab er an, diese Fälle vergessen zu haben. Er verteidigte seine Urteilsanträge und Urteile als formal rechtmäßig und weisungsgebunden. Seinen Interviewsatz „Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“ wollte er auf vor 1933 eingeführtes deutsches Militärstrafrecht bezogen haben; der Satz wurde jedoch als Ausdruck seines fehlenden Unrechtsbewusstseins und eines Rechtspositivismus verstanden, mit dem er auch nach über 30 Jahren Justizmorde der NS-Zeit rechtfertige. Dadurch verlor er den Rückhalt der Öffentlichkeit und seiner Partei. Daraufhin trat er am 7. August 1978 als Ministerpräsident zurück. Zu seinem Nachfolger wurde am 30. August 1978 Lothar Späth gewählt, der die folgenden Landtagswahlen gewann." (Wikipedia)

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, ehemaliger Sprecher der BI Riegel
(Dieser Text entsteht gerade und ist noch eine Baustelle)

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"Landesvater" Hans Filbinger und das Atomkraftwerk Wyhl


Ein Demoplakat von Karl Meyer aus Bottingen