Krieg gegen die Umwelt - Krieg gegen Umweltschützer
Veröffentlicht am 30.11.2008 in der Kategorie Greenwash von Axel Mayer
Angriffe auf Umweltschützer, Umweltbewegung und kritische Behörden
Wenn die großen Konflikte um Natur, Umwelt, Geld und Macht eskalieren, dann schrecken manche Konzerne und Lobbyisten vor nichts zurück. Dort wo es um wirklich viel Geld geht (Gentechnik, Atomindustrie, Chemieindustrie, Tropenholznutzung...) hat es in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben Umweltschützer und Umweltschützerinnen zu vernichten. Mit Vernichten meine ich die Zerstörung von beruflichen Existenzen, Zersetzung, Verleumdung, Mobbing, aber auch Angriffe auf Leib und Leben, diese insbesondere in den armen Ländern des Südens, wo viele Umwelt- und WaldschützerInnen bei den Konflikte um die Nutzung des Tropenwaldes schon ermordet wurden.
[quote]Unvergessen ist, dass die französische Staatsführung 1985 das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ wegen Proteste gegen Atomwaffentests versenken ließ und sich dabei für den Tod eines Fotografen schuldig machte.
Massive industriegesteuerte Rufmordkampagen
auf wissenschaftliche KritikerInnen der Gentechnik waren und sind an der Tagesordnung. Dazu kommen Spitzel und Spione in der Umwelt- und Friedensbewegung. Bei der Besetzung eines Hochspannungsmastes im elsässischen Heiteren wurde ein Umweltschützer bei einem Brandanschlag stark verletzt. Dieses, lange zurückliegende, direkte Erleben solcher Gewalt ist mit ein Hintergrund dieser Artikelsammlung.
Doch nicht nur Umweltaktive und Menschen in der sozialen Bewegung sind Angriffen ausgesetzt.
Vier kritische Finanzbeamte
in Roland Kochs Hessen wurden mit Methoden gemobbt, die stark an die Methoden in einer Diktatur erinnern. Sie hatten einen großen Fehler begangen und die Finanzen von Millionären zu intensiv geprüft... (siehe ganz unten)
Ich möchte hier beginnen wichtige Auszüge aus Artikeln und Beiträgen zu diesem wichtigen Thema zusammenzutragen.
Axel Mayer[/quote]
Frankreichs Krieg gegen die Friedensbewegung
Am 10. Juli 1985 wurde das Greenpeace-Flaggschiff Rainbow Warrior vom französischen Geheimdienst versenkt. Dem Greenpeace-Fotografen Fernando Pereira, 35 Jahre alt und Vater zweier Kinder, gelang es nicht mehr, das Schiff zu verlassen. Er starb durch das Attentat.
Greenpeace stand damals wie heute für gewaltfreien zivilen Widerstand.
Im Protest gegen den Wahnsinn des nuklearen Wettrüstens und der Atomtests hatten sich die ersten Greenpeacer zusammengefunden. Die weiße Friedenstaube am Bug der Rainbow Warrior und das große Banner mit der Aufschrift "Nuclear free Pacific" an den Aufbauten waren Programm: Die Rainbow Warrior war ein Symbol für den Frieden.
Mit der Rainbow Warrior
half Greenpeace im Mai 1985 rund 300 Einwohnern der schwer strahlenverseuchten kleinen Pazifikinsel Rongelap bei der Umsiedelung auf eine andere Insel. Auf der Rainbow Warrior bereiteten Greenpeace-Aktivisten die Friedensflotte zum Moruroa-Atoll vor, wo Frankreich gerade neue Atomtests vorbereitete. Doch zu dieser Reise kam es nicht mehr.
Als die Greenpeacerinnen und Greenpeacer
im Juli 1985 ihre Fahrt mit der Friedensflotte planten, war ihnen klar, dass sie sich in Gefahr begaben. Doch mit der Versenkung der Rainbow Warrior und dem Mord an Fernando Pereira erreichten staatliche Gewalt und Skrupellosigkeit ein Ausmaß, das noch die schlimmsten Erwartungen übertraf.
Quelle: Greenpeace
Auszug aus einem Beitrag in "Zeit-Fragen" / Schweiz
Kritische Stimmen sollen schweigen
Auszug aus einem Beitrag in "Zeit-Fragen" / Schweiz
Der Einfluss der Agro- und Pharmaindustrie begrenzt sich nicht nur auf die Politik.
"Wiederum detailreich werden die Kampagnen nachgezeichnet, die gegen unliebsame Naturwissenschafter und Journalisten geführt werden. Wissenschafter werden als unqualifiziert oder als unfähig diffamiert, Journalisten werden eingeklagt, so dass keine Zeitung und kein Fernsehsender sie mehr einstellen mag. Bestens bezahlte Gruppierungen (zum Beispiel Diary Coalition und International Food Information Council) mit Wissenschaftern und Medienschaffenden wurden gegründet, die Veröffentlichungen überwachen, um jede kritische Stimme oder Untersuchung möglichst schon im Keim zu ersticken.
Rufmordkampagne gegen angesehene Forscher
Wie eine solche Kampagne aussehen kann, beschreibt der Autor anhand eines Falles aus dem Jahre 1998 aus England. Dort hat der bis dahin namhafte Nahrungsmittelforscher Arpad Pusztai öffentlich von der Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel abgeraten, weil dies einem Menschenversuch gleichkomme. Gemäss Smith gibt es Hinweise, dass die darauf eingeleitete staatliche Gegenreaktion in direktem Zusammenhang mit einem Telefonat von Clinton und Tony Blair stehen könnte, zumal zeitgleich auch die Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in der EU zur Debatte stand. Pusztai wurde entlassen, sein Ruf ruiniert, seine Forschungsergebnisse konfisziert. Der Forscher wurde mit einem Redeverbot belegt, die öffentliche Untersuchung des Falles manipuliert, und staatliche Forschungsstellen gaben Gegengutachten zu den Forschungsergebnissen von Pusztai heraus. Wie sich später herausstellte, haben mehrere Minister die Kampagne gegen den Forscher organisiert. Gleichzeitig warben sie im Fernsehen und in Zeitungsinterviews für die gentechnisch veränderten Lebensmittel. Der Rufmord wirkt übrigens bis heute: Pusztai wird auch bei der zuständigen Stelle des Bundesamtes für Gesundheit als nicht glaubhafter und in der Gentechnik unerfahrener Forscher hingestellt."
Quelle: Zeit Fragen / Schweiz
Konjunktur für Auftragskiller
Weltweit werden Menschen ermordet, verletzt und bedroht, die sich für den Schutz der Wälder einsetzen
Eine Information von "Rettet den Regenwald"
In Porto de Moz entlud sich vor kurzem der Zorn
der Holzunternehmer wegen einer Flussblockade durch lokale Bauern in regelrechten Jagdszenen. Auf dem Flughafen wurde eine Fernsehreporterin, die die Protestaktion gefilmt hatte, fast gelyncht. Ein lokaler Umweltschützer wurde verprügelt, sein Boot verbrannt. Andere Aktivisten, darunter ein Priester, schweben bis heute in Lebensgefahr – Alltag in Porto de Moz.
(...) Verhindert haben dies bisher die Politiker aus Pará, darunter der örtliche Bürgermeister Gerson Campos, selbst Besitzer zweier großer Sägewerke. Deshalb haben sich Ende 2002 die Flussgemeinschaften zur Blockade des Stroms entschlossen und riskieren dabei täglich ihr Leben.
Auch in der Urwaldstadt Altamira geht die Angst um. „Es zirkuliert eine Todesliste, auf der bekannte Aktivisten der sozialen Bewegungen bis hin zu linken Landespolitikern stehen“, berichtet Airton Faleiro, Vorstandsmitglied der brasilianischen Landarbeitergewerkschaft.
Ende August 2001 hatten Auftragskiller in Altamira, ebenfalls im Bundesstaat Pará gelegen, den 36-jährige Ademir Alfeu Federicci in seinem Haus erschossen. Er gehörte zu den schärfsten Kritikern des so genannten Belo Monte Staudamms am Rio Xingu. Während die PR-Manager des Energieriesen Eletronortes den Xingu-Damm als „Geschenk Gottes“ anpreisen, wird der Kampf um die Zukunft des Amazonas immer blutiger. Nach Informationen des Parlamentsabgeordneten Paulo Rocha von der Arbeiterpartei wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als ein Dutzend Landarbeiter und Mitglieder von Graswurzel-Organisationen in Pará ermordet, ohne dass irgendjemand dafür zur Verantwortung gezogen wurde.
Angriff auf Umweltschützer in China
Nach kritischen Äußerungen zum Drei-Schluchten-Damm im ARD-Interview
Harald Maass, Peking 14.6.2006
"Fu Xiancai war auf dem Weg von der Polizeistation nach Hause, als mehrere Männer ihn von hinten attackierten und brutal zusammenschlugen. Die Behörden hatten den Umweltschützer und Aktivisten gegen den Drei-Schluchten-Staudamm zuvor einbestellt, weil er in einem ARD-Interview den Damm kritisiert hatte. Der Fall zeigt, welchem Druck Umweltaktivisten in China bis heute ausgesetzt sind.
Die lebensgefährliche Attacke auf Fu ereignete sich in der vergangenen Woche im Kreis Zigui (Provinz Hubei), wurde jedoch erst am Dienstag bekannt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights in China und nach ARD-Informationen wurde Fu von „Mitgliedern einer Schläger-Brigade“ zusammengeschlagen und liegt seitdem mit einer angebrochenen Wirbelsäule im Krankenhaus. Es bestehe die Gefahr, dass Fu gelähmt bleibe. Die Behörden verbieten der Familie und Reportern den Zugang zu ihm."
Nachdruck aus Publik-Forum Nr. 1 / 2010 vom 15.1.2010, Seite 18
Politik & Gesellschaft
Das Imperium schlägt zurück
Wie Hessens Konservative verhinderten, dass aufmerksame Finanzbeamte und die politische Opposition mächtige Wirtschaftsinteressen stören. Ein Beispiel für den Missbrauch von Macht
Von Wolf Wetzel
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz. Was allerdings passiert, wenn das Volk mächtigen Wirtschaftsinteressen in die Quere kommt, zeigte sich in den vergangenen Jahren in Hessen: Die siegreiche Opposition wird angefeindet; Finanzbeamte, die die Finanzströme der Mächtigen kontrollieren, werden zum Psychiater geschickt.
Besonders schockiert waren die Mächtigen vom Ergebnis der hessischen Landtagswahlen im Winter 2007: Die SPD wurde mit ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti stärkste Partei. Doch Ypsilanti hatte ein Problem: Um ohne CDU und FDP regieren zu können, war sie auf eine Tolerierung durch die Partei Die Linke angewiesen. Genau dies hatte sie vor der Wahl ausgeschlossen - in der Hoffnung, so den Einzug der Linken in den Wiesbadener Landtag verhindern zu können. Um dennoch rot-grüne Politik machen zu können, brach sie ihr Wort und handelte ein Tolerierungsabkommen mit der Linkspartei aus.
Linker Putsch? In der deutschen Geschichte gab es schon viele Wortbrüche, ohne dass diese den jeweiligen Parteien geschadet hätten. Doch dieses Mal passierte etwas Ungewöhnliches: Eine parteiübergreifende Koalition aus Wirtschafts-, Partei- und Medienunternehmen fand sich zusammen, um den »linken Putsch gegen den Wählerwillen« zu verhindern.
Natürlich ist ein Wortbruch keine Kleinigkeit. Doch inzwischen wissen Beobachter, worum es wirklich ging: Einige Programmpunkte der geplanten rot-rot-grünen Regierung störten einflussreiche Wirtschaftsinteressen und milliardenschwere Unternehmen in Hessen derart, dass sie keinen Hehl daraus machten, mit allen Mitteln eine Umsetzung der »wirtschaftsfeindlichen« Programmpunkte zu verhindern: Nach dem Willen von Andrea Ypsilanti sollte die Nordbahn am Flughafen erst gebaut werden, wenn die Gerichte über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses entschieden hätten. Also kein Sofortvollzug. Zudem sollte das älteste Atomkraftwerk in Biblis stillgelegt und der Ausbau regenerativer Energien zügig vorangetrieben werden - mit dem SPD-Solarpapst Hermann Scheer als Wirtschaftsminister.
Wie wenig der alten Elite aus Politik und Wirtschaft diese Forderungen schmeckten, zeigt sich daran, dass die am 18. Januar 2009 gewählte CDU-FDP-Koalition die Pläne der Rot-Grünen sofort revidierte: Der Flughafen soll mithilfe des »Sofortvollzuges« ausgebaut werden und das Kernkraftwerk Biblis am Netz bleiben.
Erfolgreiche Steuerfahnder. Doch diese politischen Prioritäten erklären noch nicht, warum das Establishment vor allem der CDU einen Regierungswechsel in Hessen geradezu fürchtete. Dazu muss man das »Banken-Team« im Finanzamt Frankfurt V kennen. Es handelt sich um Staatsdiener im besten Sinne: Marco Wehner war einer jener Frankfurter Steuerfahnder, die gegen den ehemaligen Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep, ermittelten - das dunkelste Kapitel der Hessen-CDU. Es ging um über zwanzig Millionen Mark, die als illegale »Kriegskasse« für Parteizwecke genutzt wurden, und unter anderem in der Liechtensteiner Stiftung Zaunkönig anonymisiert, also gewaschen wurden.
Das Banken-Team ermittelte aber auch wegen Steuerhinterziehung gegen Großbanken: »Stapelweise Belastungsmaterial fand das Team bei Commerzbank und Deutscher Bank. Sie hatten Kunden geholfen, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. 250 Millionen Euro zusätzlich aus Steuernachzahlungen der Banken verbuchte das Land Hessen wegen der Erfolge der Finanzbeamten, rund eine Milliarde der Bund«, schrieb die Frankfurter Rundschau.
Doch nicht nur millionenschwere Privatkunden wurden via Transferkonten hiesiger Großbanken in Steueroasen geschleust. Auch Großfirmen wie Siemens nutzten diesen Schleichweg, um Schmier- und Bestechungsgelder über Liechtensteiner Konten außerbilanziell abzuwickeln. Deren Firmengelände in Offenbach und Erlangen wurden polizeilich aufgrund des Vorwurfes durchsucht, zwischen 1999 und 2002 mindestens sechs Millionen Euro Bestechungsgelder im Zusammenhang mit Auftragsvergaben an damalige Manager des italienischen Stromkonzerns Enel gezahlt zu haben. Im November 2006 teilte die Münchner Staatsanwaltschaft mit, Verantwortliche bei Siemens
hätten sich »zu einer Bande zusammengeschlossen« und sich an der »Bildung schwarzer Kassen im Ausland« beteiligt. So stand es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Doch der Umstand, dass die kriminellen Wege des Geldes von Parteien, Banken und Großfirmen gemeinsam beschritten wurden, schweißte diese offenbar zusammen: Schon 2001 hatte das Finanzamt Frankfurt auf Anweisung des hessischen Finanzministeriums die Verfügung erlassen, nur noch Geldtransfers ins Ausland zu untersuchen, die die Summe von 500 000 Mark überstiegen. Damit wurden Geldtransfers unterhalb dieser Grenze für »steuerrechtlich unverdächtig eingestuft«, was einer Aufforderung gleichkommt, in Zukunft Steuerhinterziehung in gestückelten Teilbeträgen zu praktizieren.
Archipel Gulag. Steuerfahnder befürchteten, dass damit ein verfolgungsfreies Schlupfloch geschaffen werden sollte. Daraufhin wurde das in Gang gesetzt, was später als das System »Archipel Gulag« bekannt werden sollte. Zuerst versuchte man die unliebsamen Steuerfahnder durch Versetzungen zu disziplinieren: »Ein Teil von ihnen wird in die ›Servicestelle Recht‹ versetzt, eine Geisterstation«, so der Stern: »Man nannte die Servicestelle Recht behördenintern auch ›Strafbataillon‹ oder ›Archipel Gulag‹.«
Schließlich löste man die ganze Abteilung auf. Doch anstatt sich im »Strafbataillon« zu bewähren, klagten einige Betroffene gegen die Disziplinarverfahren (und gewannen diese Prozesse später).
Doch dann passierte etwas, was man weder in der Oberfinanzdirektion noch im hessischen Finanzministerium für möglich gehalten hätte. Im Sommer 2003 solidarisierten sich fast fünfzig Steuerfahnder mit den »Aussätzigen« und verfassten einen Brief an Ministerpräsident Roland Koch: »Wir sind Steuerfahnder und Steuerfahndungshelfer des Finanzamts Frankfurt V und wenden uns an Sie, weil wir begründeten Anlass zu der Sorge haben, dass die Steuerfahndung Frankfurt am Main ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann, weil Steuerhinterzieher nicht in gebotenem Maße verfolgt werden können.«
Der Brief wurde nicht abgeschickt. Einige Unterzeichner hatten es mit der Angst zu tun bekommen. Dennoch gelangten der Brief und die Amtsverfügung aus dem Jahr 2001 in die Öffentlichkeit. Ein Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag wurde eingerichtet. Dank der Mehrheit von CDU und FDP im Untersuchungsausschuss verlief alles im Sande; dennoch schwelte die Affäre weiter. Im September 2004 erhielt Ministerpräsident Roland Koch auf dem Dienstweg ein Schreiben des teuerfahnders Rudolf Schmenger, in dem dieser Führungskräften der hessischen Finanzverwaltung »Fälle von Strafvereitelung im Amt, falsche Verdächtigung, Verletzungen des Steuergeheimnisses, Verletzung des Personaldatenschutzes, Mobbing und Verleumdung« vorwarf und diese anzeigte.
Ab zum Psychiater.Jetzt reichte es nicht mehr, die aufsässigen Fahnder von brisanten Fällen abzuziehen, jetzt musste man sie als potenzielle Zeugen unglaubwürdig machen. Mitte 2006 bekam Schmenger eine Aufforderung der Oberfinanzdirektion, sich medizinisch begutachten zu lassen. Es ist kein normaler, dafür ein außerordentlich zuverlässiger Arzt, der ihn untersuchen sollte: der Psychiater Thomas Holzmann. Nach Auskunft der Landesregierung begutachtete dieser seit Oktober 2005 exakt 22 Fälle in der Finanzverwaltung - in zwei Dritteln dieser Fälle sei er zum Urteil »Dienstunfähigkeit« gelangt.
Auch im Falle Schmengerwar sein Gutachten vernichtend: »Da es sich bei der psychischen Erkrankung um eine chronische und verfestigte Entwicklung ohne Krankheitseinsicht handelt, ist eine Rückkehr an seine Arbeitsstätte nicht denkbar und Herr Schmenger als dienst- und auch als teildienstunfähig anzusehen.«
Man beließ es nicht bei diesem Exempel, sondern ließ weitere Steuerfahnder von Thomas Holzmann begutachten. Die Begründungen könnten auch aus einem Frankenstein-Film stammen: Aufgrund »paranoid-querulatorischer Entwicklung (…), in deren Rahmen Herr M. unkorrigierbar davon überzeugt ist, Opfer groß angelegter unlauterer Prozesse zu sein«, schrieb Psychiater Thomas Holzmann auch andere Finanzbeamte dienstunfähig.
Man war auf der Zielgeraden der Psychiatrisierung von »unliebsamen« Zeugen angelangt. Denn nun stand ihrer Zwangspensionierung nichts mehr im Weg.
Es ist der Hartnäckigkeit der zwangspensionierten Steuerfahnder zu verdanken, dass nach fast acht Jahren Risse im System »Archipel Gulag« auftreten: Im November 2009 verurteilte das Verwaltungsgericht Gießen den Psychiater Thomas Holzmann wegen fehlerhafter und »vorsätzlich« falsch erstellter Gutachten über hessische Steuerfahnder zu einer Geldbuße von 12 000 Euro und erteilte einen Verweis. Denn, so das Gericht: »Weshalb der Gutachter von vornherein die vom Probanden geschilderten Ereignisse (…) für wahnhaft, also nicht der Realität entsprechend bewertet, ist an keiner Stelle des Gutachtens dargelegt und erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang.«
Wenn man die Wortbruchkampagne als ersten Schlüssel versteht und das System »Archipel Gulag« als zweiten Schlüssel hinzunimmt, dann kann man ein Depot öffnen, dessen Inhalt für die Demokratie beunruhigender nicht sein könnte: Ein aufeinander abgestimmtes Räderwerk aus politischen Mandatsträgern, Leitungspersonen aus Finanzämtern und dem hessischen Finanzministerium sowie von »Leistungsträgern« aus Banken und Großfirmen sorgt dafür, dass möglicherweise Wahlen verloren gehen können, aber nie die Macht.
Wir danken für die Abdruckerlaubnis
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Publik-Forum Nr. 1 o 2010 vom 15.1.2010, Seite 18
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