2024 / Grand Ried Alsace - Das große Ried im Elsass: Beeindruckende, bedrohte Natur- und Flusslandschaft


Veröffentlicht am 13.02.2024 in der Kategorie Natur & Naturschutz von Axel Mayer

Grand Ried Alsace - Das große Ried im Elsass:
Eine beeindruckende, bedrohte Rest-Naturlandschaft in der elsässischen Rheinebene



Ried: Das Wort stammt vom alemannischen Wort "Rieht" und bedeutet Rohr oder Schilf.
Das große elsässische Ried ist das große Überschwemmungsgebiet der (noch nicht) eingedeichten Ill. Ein Gebiet von fast 200 Quadratkilometern naturnaher Landschaft zwischen Ill und Rhein, zwischen Colmar und Straßburg. Eine faszinierende Landschaft aus feuchten, im Frühjahr häufig überschwemmten Wiesen, kleinen Wäldern und Gebüschen. In den Auen des Ried und im Illwald kann man noch Vögel wie den Großen Brachvogel, die Rohrweihe, die Sumpfohreule und Tiere wie den Biber sehen. Die Riedauen des Elsass werden vor allem im Frühjahr, wenn in den Vogesen der Schnee schmilzt, periodisch überflutet. Die überfluteten Riedwiesen werden dann zum Tummelplatz für Schwäne, Störche und Graureiher. Wälder und Schilf bieten in der ausgeräumten Agrarsteppe der Rheinebene noch Rückzugsgebiete und Fortpflanzungsbereiche für seltene Amphibien, Vögel und Wild. Die letzten Feuchtgebiete im Elsass stellen für Arten wie Fischotter, Bisamratten, Fischreiher, Brachvögel, Teichrohrsänger, Lurche, Land- u. Wasserschnecken, Insekten, Barsche, Zander, Hechte und Karpfen artenreiche und schützenswerte Naturreservate im Elsass dar. Am beeindruckendsten ist die Überflutungslandschaft der Ill in der Umgebung des malerischen Städtchens Schlettstadt und bei Muttersholtz.

Sélestat (Schlettstadt) war um das Jahr 1452 das oberrheinische Zentrum der Humanisten. Damals wurde auch die heute noch existierende Humanistenbibliothek gegründet. Ein Besuch der historischen Bibliothek lässt sich gut mit großen Spaziergängen und Wanderungen im Grand Ried verbinden. Der alte Kern von Schlettstadt ist noch nicht ganz so schrecklich herausgeputzt und touristisch wie manche Puppenstubendörfer am Vogesenrand. (Riquewihr...)


Grand Ried Alsace - Weihnachtshochwasser 2012

„Gutes“ Hochwasser im elsässischen Grand Ried
„Hochwasser“: Bei diesem Wort denkt man zumeist an weggerissene Brücken und Straßen, an Kühlschränke, die im überfluteten Keller unter der Kellerdecke treiben, an Menschen, die in Köln sorgenvoll auf den ansteigenden Rhein schauen und an massive Sachschäden. Im Grand Ried richten die vielen Hochwässer (fast) keine Schäden an.

Das Große Ried "Le Grand Ried" und der Illwald
sind wertvolle, naturnahe Gebiete zwischen Straßburg und Colmar. Insbesondere um Séléstat und Muttersholtz sind Menschen und Natur an regelmäßige Überflutungen gewöhnt. Im Gegensatz zu den südbadischen Bächen Elz, Dreisam, Glotter und Kinzig wurde die französische Ill nicht zu einem geradegestreckten, kanalisierten, trostlosen, und naturfernen Kanal umgebaut, der Wasser schnell ableitet und flussabwärts das Hochwasser verstärkt...


Auch im Elsass gab es Eindeichungspläne für die Ill,
doch die französische Umweltbewegung hat sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt. Große Schäden bringen diese periodischen Normal-Überflutungen nicht, denn die kellerlosen Häuser wurden auf kleine Hügel gebaut und fast alle Bauten sind „hochwasseroptimiert“. Im Grand Ried kann man sehen, wie naturnaher Hochwasserschutz in seiner Idealform aussieht. Und das viele Wasser, das in der Ebene steht, entzerrt die Hochwasserspitzen am Rhein und läuft bei großen Hochwässern rheinabwärts den Menschen nicht in die Keller. Auch im Elsass kann ein Extremhochwasser Schäden anrichten, doch dies geschieht sehr selten.

In Deutschland und Südbaden
wurde in der Vergangenheit der umgekehrte Weg gegangen und versucht, das Wasser und die Natur zu bezwingen. Es wurde kanalisiert und es wurden (und werden) Wohngebiete in die alten Überflutungsflächen vom Rhein und seinen Zuflüssen gebaut. Das Bauen im Tiefgestade ist auch ein wichtiger Grund für den Widerstand gegen die Versuche im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms IRP, Naturschutz mit Hochwasserschutz zu verbinden. Dazu kommt häufig die deutsche Angst vor Unordnung (auch) im Wald.

„Elsässische Verhältnisse“ sind in Südbaden nicht mehr zu realisieren.
Doch könnten die landschaftsprägenden Gewässer unserer Heimat durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Dammrückverlegungen ökologisch aufgewertet und ein Stück weit renaturiert werden. An Elz und Dreisam gibt es ermutigende Schritte in die richtige Richtung. Die "kleine Schwester" des Grand Ried sind die badischen Elzwiesen auf der deutschen Rheinseite.

Wiesen, wie sie für das große Ried typisch sind, gelten in Europa besonders als bedroht
Die Hauptursache für das Sterben von Insekten wie Schmetterlingen und Bienen ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Giften, Überdüngung und die „pflegeleichte“ ausgeräumte, monotone Agrar-Landschaft. Aus zwei mal gemähten artenreichen Wiesen wurden stark gedüngte artenarme Produktionsflächen für Biogasanlagen und Hochleistungskühe. Diese Entwicklung zeigt den besonderen Wert der Wiesenlandschaft des Grand Ried im Elsass.


Grand Ried - Besucherdruck - Hund & Kiebitz...
Peter Berthold der bekannte Ornithologe und Bestsellerautor beschreibt in einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau das Problem vieler Naturschutzgebiete und Wiesenflächen:
"Da hinten im Ried in Möggingen haben immer Kiebitze gebrütet. Vor ungefähr zwanzig Jahren, ich könnte nachgucken, wann genau, haben sie aufgehört zu brüten. In diesem Gebiet ist früher im Winter mal ein einzelner Bauer zu Fuß unterwegs gewesen, mit einer Handsäge über der Schulter und einer Axt, und der hat an einer Hecke ein bisschen Brennholz geschnitten und geschlagen, das er später mit dem Pferdefuhrwerk heimgeholt hat. Das war alles. Wenn Sie heute im Januar, Februar, März an einem schönen Sonntag rausgehen, sind in demselben Gebiet, in dem früher dieser einzelne Mensch gelaufen ist, unter Umständen zweihundertfünfzig Leute unterwegs und mindestens fünfzig Hunde in allen Größen und Schattierungen, die sich fast alle unangeleint im Naturschutzgebiet herumtreiben. Wenn da ein einziger Kiebitz noch irgendwo sitzt, der sich vielleicht überlegt, ob er hier brüten könnte, dann steigt der auf, macht seinen „Whääähh! Whääähh!“-Warnruf, fliegt weiß Gott wie weit, hat fast keine Möglichkeit, irgendwo zu landen, weil überall Leute unterwegs sind, und verlässt das Gebiet. Der wird nie und nimmer in diesem Gebiet anfangen zu brüten. Denn freilaufende Hunde, das heißt für ihn: Das ist Wolfsgebiet, das regelmäßig bestrichen wird, und wenn er dort ein Gelege hat, wird das von den Viechern gefunden und aufgefressen. Das ist für ihn völlig indiskutabel."


Es lohnt sich sehr, die stille, weite, schöne, (manchmal) überflutete Landschaft des Grand Ried (am besten per Rad) zu besuchen, Natur, Landschaft und die Vogelwelt zu bewundern und zu sehen, wie Naturschutz und Hochwasserschutz zusammen gehören.

Axel Mayer, (Alt-) BUND Geschäftsführer, Mitwelt Stiftung Oberrhein



Grand Ried Alsace


Das große Ried im Elsass: Eine beeindruckende Naturlandschaft

Fotos & Text: Axel Mayer



Leider notwendiger Nachtrag
"Das elsässische Grand Ried ist ein naturnahes Kleinod in der aufgeräumt-ausgeräumten, zersiedelt-zerschnitten Landschaft der elsässischen Rheinebene mit ihren Straßen, Autobahnen, der Hypermarche(un)kultur, ausfransenden Städten und zunehmender Vermaisung. Die wenigen erhalten gebliebenen, historischen Altstädte, das Grand Ried und die restlichen Naturschutzgebiete im Elsass und auf beiden Seiten des Rheins verbindet eines: Sie sind zunehmend Inseln in einem Meer von Scheußlichkeit.“

Und selbst das Grand Ried ist immer stärker bedroht
Die, einem massiven Globalisierungsdruck ausgesetzte Landwirtschaft will die endgültige Vermaisung der elsässischen Rheinebene durchsetzen und drängt auf eine Eindeichung der Ill. Die jetzt schon erfolgten Begradigungen und Eindeichungen am südlichen Oberlauf der Ill und der darauf folgende Umbruch von Wiesen und die Umwandlung in eine Maissteppe verstärken die Hochwasser im Grand Ried. Aus einer Naturlandschaft wird ein Naturmuseum...

Mein Dank geht an die Freundinnen und Freunde von Alsace-Nature, für ihren immerwährenden Kampf für die bedrohte Restnatur im Elsass.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, Endingen




Elsässische Gemeinden im Grand Ried
Artolsheim, Bindernheim, Bœsenbiesen, Bootzheim, Elsenheim, Grussenheim, Heidolsheim, Hessenheim, Hilsenheim, Mackenheim, Marckolsheim, Ohnenheim, Richtolsheim, Saasenheim, Schœnau, Schwobsheim, Sundhouse, Wittisheim


Nachtrag:
Naturschutz im Zentraleuropäischen Verdichtungsraum


Das Große Ried und seine Naturschutzgebiete liegen im Herzen des Zentraleuropäischen Verdichtungsraums, der sogenannten Blauen Banane.
Die Blaue Banane bezeichnet eine dicht bevölkerte Zone, einen bandförmig - breiartigen verdichteten europäischen Großraum zwischen irischer See und Mittelmeer, dessen Urbanisierung eine Kette von zusammenwuchernden Agglomerationen mit bisher rund 111 Millionen Einwohnern bildet. Vorbild dieses wirtschaftsgeografischen Modells sind die anderen Verdichtungsräumen der Welt, etwa die großen Ballungsräume an den Küsten und großen Flüssen Asiens, wie dem japanischen Taiheiyō Belt. Raumordnerische Fehlentwicklungen und Zurückdrängung von Restnatur lassen sich europaweit überall im angedachten Verdichtungsraum erkennen. Am Oberrhein wuchert auch entlang der Vorbergzone der Vogesen ein durchgängiger, gesichtsloser Siedlungsbrei. Klein gedachte Baugebiete wachsen zu hässlich wuchernden, breiartige Siedlungsstrukturen zusammen. Auf beiden Rheinseiten entstehen ohne jegliche erkennbare Raumordnung die hässlichen, neonschrillen Ortseinfahrten, Gewerbesteppen, Nichtarchitektur und die Billigbauten der Hypermarche-Kultur. Die jetzigen Naturschutzgebiete im Rheingraben werden zukünftig immer mehr zu verrummelten, naturnahen Stadtparks in der breiartig wuchernden Bandstadt.
Axel Mayer, Mitwelt Stifung Oberrhein





Aktuell: Erweiterung Nationalpark Schwarzwald: Säger, Jäger, FDP & CDU gegen Natur & Naturschutz

Infosammlung: Natur, Naturschutz & Naturgebiete, in Südbaden, im Elsass und am Oberrhein





Klimawandel,Feuer, Waldbraende, Artensterben,Windenergie
Immer mehr Klimawandelleugner und Energiewendegegner argumentieren mit gezielt vorgeschobenen "Artenschutz-Argumenten" gegen Energie aus Wind & Sonne. Bei den großen Bränden in Australien und in Amazonien sind Milliarden Tiere auf eine entsetzliche Art und Weise gestorben. Die menschengemachte Klimakatastrophe wird die globale Artenausrottung und das Waldsterben massiv beschleunigen. Diese Fakten müssen, auch wenn's uns Naturschützern manchmal schwerfällt, bei allen regionalen Planungsvorhaben in die immer notwendige Artenschutz-Betrachtung einbezogen werden.

Genau in dieser Frage unterscheiden sich gemeinwohlorientierte Naturschutzverbände von egoistischen Bürgerinitiativen.







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  • 3) Im Zweifel, gerade in Kriegszeiten, ist die -Allgemeine Erklärung der Menschenrechte- immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.

Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.


Getragen von der kleinen Hoffnung auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung (das nicht kommen wird wie die Morgenröte nach durchschlafner Nacht)



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