Lachs & Rhein: Den Lachs auch in der Elz, Glotter, Kinzig, Murg und im Rhein wieder willkommen heißen
Veröffentlicht am 18.01.2022 in der Kategorie Wasser von Axel Mayer
Lachs & Rhein: Den Lachs auch in der Elz, Glotter, Kinzig, Murg und im Rhein wieder willkommen heißen
Aktueller Einschub: Erfolg für Naturschutz und Fischer
Am 6. Januar 2022 entdeckte der Betreiber der Kappeler Mühle einen knapp ein Meter langen toten Fisch – ein ausgewachsenes Lachs-Männchen mit 6,5 Kilo in der alten Elz. Es war vermutlich im späten Herbst 2021 aus dem Rhein in die Alte Elz aufgestiegen. Der Lachs war auf der Suche nach der Stelle, von wo aus er im Alter von einem Jahr und mit einer Länge von 20 Zentimetern einst seine Reise in den Atlantik angetreten hatte. In der Elz wurde der letzte wildlebende Lachs 1958 gefangen. Dank einer Initiative des Landesfischereiverbandes Baden, der Fischereigemeinschaft, des ASV Waldkirch und der IG-Elz wurden in den letzten Jahren immer wieder Junglachse in der Elz zwischen Waldkirch und Kollnau ausgesetzt.
Was der Mensch den Gewässern, dem Rhein und seinen Zuflüssen angetan hat,
lässt sich am besten am Beispiel des Lachses aufzeigen. Heute berichten die Zeitungen umfangreich, wenn es wieder einmal ein einzelner Lachs in einen der Rheinzuflüsse geschafft hat. Nach über fünfzig Jahren ist im Jahr 2005 erstmals wieder Lachslaich in der Kinzig und damit im baden-württembergischen Rheingebiet entdeckt worden. Dazu kamen nach und nach einzelne Funde in der Murg und der Elz. In den fünfziger Jahren starb der Rhein-Lachs vollständig aus, die ursprünglich Population war weg und wurde durch aufwändige Nachzuchten aus Loire und Allier ersetzt. Wir reden und lesen dann gerne von "ausgestorben" oder "verschwunden". Das klingt so schön nach "still von uns gegangen" und benennt nicht unsere Verantwortung. Doch das einzig treffende Wort für dieses Verschwinden ist der Begriff "ausgerottet". Die regionale und globale Artenausrottung ist kein Phänomen der letzten 20 Jahre, sie hat sich aktuell nur global etwas beschleunigt. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt werden als Kollateralschaden unbegrenzten globalen Wachstums gerade bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten täglich ausgerottet.
Mit Wasserverschmutzung, Begradigung, Kanalisierung, Stauwehren und Schleusen
haben wir schon in den letzten 150 Jahren den ehemaligen Lachs-Bestand im Rhein auf null reduziert. Jeder einzelne Lachs, der es heute wieder in das Flussgebiet am Oberrhein schafft, ist ein Erfolg der Umweltbewegung und der Fischereiverbände. Doch noch vor hundert Jahren war der Rhein der bedeutendste Lachsfluss Europas. Jahr um Jahr kehrten etwa eine Million(!) Lachse von ihrer langen Reise nach Grönland zurück in die Rheinzuflüsse im Schwarzwald, im Elsass und in die Schweizer Alpen. Um 1900 wurden allein aus dem Rhein jährlich ca. 85.000 Tonnen Lachs gefischt. Wir können uns auch nicht ansatzweise vorstellen, was wir verloren haben und was wir an anderer Stelle gerade verlieren.
Der Mensch im Anthropozän hat auf die Artenvielfalt eine ähnlich verheerende Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren.
Es gab und gibt positive und negative Entwicklungen für den Rhein-Lachs:
Der Rhein und seine Zuflüsse wurden für Fische wieder durchlässiger und die Wasserqualität hat sich verbessert. In den letzten Jahrzehnten wanderten wieder jedes Jahr hunderte Lachse aus dem Atlantik ins Rheineinzugsgebiet, um hier in der kalten Jahreszeit zu laichen. Doch seit einigen Jahren steigt die Zahl nicht mehr. Sie scheint eher wieder zu sinken. Der Klimawandel, die Wassererwärmung, Niedrigwasser im Rhein und seinen Zuflüssen, das sommerliche Trockenfallen von Laichgewässern, Schiffsschrauben, Fressfeinde wie der Wels, Krankheiten und Parasiten – all dies spielt wohl eine Rolle. Genaue Erkentnisse gibt es noch nicht. Doch könnte angesichts trocken fallender Bäche langfristig eine teilweise Wasserrückhaltung für unsere Bäche nötig sein, um Natur, Mensch, Lachs, anderen Fischen, zumindest mit einer Mindestwassermenge in Extremsommern dienen zu können. Auch eine weitere Verringerung von Mikroverunreinigungen mit Pflanzenschutzgiften, Medikamenten, Plastik und Röntgenkontrastmitteln in unsere Bäche ist unbedingt notwendig.
Papierfabrik Kaysersberg & Rheinverschmutzung 1994:Vorher ohne Kläranlage
Papierfabrik Kaysersberg & Rheinverschmutzung 1994: Nach dem Konflikt mit Kläranlage
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Rhein eine stinkende Kloake.
Wir erinnern uns an die vergangenen Konflikte um fehlende Kläranlagen bei Gemeinden und Fabriken. Eines von vielen Beispielen war das Forellengewässer Wutach, das durch die Einleitungen der Papierfabrik Neustadt zerstört wurde. Mit dem erfolgreichen Streit des BUND für eine Kläranlage der Papierfabrik Kaysersberg im Jahr 1994 konnte dieses unschöne Kapitel am Rhein und seinen Zuflüssen weitgehend abgeschlossen werden.
Die grobe Rheinverschmutzung hat nach langen Kämpfen abgenommen.
Doch die Konzentration von schwer abbaubaren Verbindungen im Rhein ist immer noch zu hoch. Dazu gehören Tausende von Industriechemikalien, aber auch Medikamente, Korrosionsverhinderer in Maschinengeschirrspülmitteln oder Bestandteile in Sonnenschutzmitteln. Obwohl diese Substanzen nur in Konzentrationen von Millionstel Gramm pro Liter Rheinwasser vorkommen, entfalten sie als „Pseudohormone“ hormonähnliche oder andere schädliche Wirkungen in Gewässerorganismen. Dazu kommt verstärkt Mikroplastik.
Rhein, Lachs & EDF:
Seit vielen Jahrzehnten macht der französische Energieversorger Électricité de France satte Gewinne mit seinen abgeschriebenen alten Wasserkraftwerken am Rhein. Durch den Versailler Vertrag erhielt Frankreich im Jahr 1919 das Recht zur beliebigen Ableitung von Rheinwasser sowie zur Nutzung der Wasserkraft des Rheins im Grenzabschnitt. 1928 wurde nahe Basel, bei der Staustufe Kembs, mit dem Bau des Kanals begonnen und nach dem Krieg, um das Jahr 1950 wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen und bis nach Breisach fortgeführt.
Es ist ein Umwelt- und Naturschutzskandal, dass an manchen großen französischen Wasserkraftwerken am Rhein immer noch keine Fischtreppen gebaut wurden.
Doch der Lachs will auch an den Oberrhein zurück
und in die Schweiz, das Elsass und den Schwarzwald zurückzukehren. Die wenigen Lachse, die in den letzten Jahren in den oberen Nebenflüssen des Rheins gefunden wurden waren "Schleußentaucher".
An der neuen Rhein-Staustufe bei Straßburg ist zwar im Jahr 2016 für 16,5 Millionen Euro eine Fischtreppe gebaut worden und eine Fischtreppe in Gerstheim soll folgen. Doch dann versperren immer noch drei französische Kraftwerke (Rhinau, Marckolsheim, Vogelgrün) die Lachs-Wanderung und den Aufstieg und der Fortschritt ist bei der EDF leider eine Schnecke...
Fischtaxi / Lachstaxi?
Ab Rhinau soll zukünftig ein Schiff einen großen Käfig ziehen, in den die Fische aufgrund eines Lockstroms geraten. So sollen die Lachse durch die Schleusen der drei Wasserkraftwerke Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün gezogen werden. (Das Lachs-Taxi hätte vermutlich die Werbeaufschrift: "Hier rettet die EDF die Lachse!") Bei Breisach / Vogelgrün sollen sie dann über den Altrhein bis zum neuen Fischpass bei Märkt schwimmen.
Über die neue Fischtreppe bei Märkt
könnten sie dann bis nach Basel aufsteigen. Dadurch dass der "Restrhein" als "Umgehungsgewässer" für den Rheinseitenkanal fungieren soll, werden nach Ansicht der EDF die "teuren" Fischtreppen bei Fessenheim, Ottmarsheim und Kembs im Rheinseitenkanal vermieden. Doch der "Um-Weg" für den Lachs bei Breisach / Vogelgrün wird technisch aufwändig und kompliziert und noch ist offen ob dies funktioniert. Es ist immer einfacher einen Fluss zu zerstören, als ihn zu renaturieren.
Der BUND, die Mitwelt Stiftung Oberrhein und die grenzüberschreitende Umweltbewegung am Oberrhein setzen sich für ganzjährig durchwanderbare Fischaufstiegshilfen erst einmal zumindest in Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün ein, damit endlich nach Jahrzehnten alle Wanderfische jederzeit flussaufwärts wandern können.
Bei einer Plenarsitzung der Internationalen Rheinschutzkommission Anfang Juli 2016 in Echternach wurde der EDF-Delegation aus Frankreich zumindest das Zugeständnis abgehandelt, dass man neben der favorisierten "Transport-Lösung" auch einen Weiterbau von Fischtreppen "gleichwertig prüfen" werde...
Auch nach Ansicht von (Alt-) BUND-Geschäftsführer Axel Mayer muss der deutsch-französisch Rheinabschnitt bis 2020 für den Lachs passierbar gemacht werden, und zwar mit Fischtreppen bei Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün.
Frankreich und die Électricité de France werden bisher ihrer Verantwortung für den Lachs und den Rhein nicht gerecht.
Es gibt aber noch ein anderes Problem,
das dem Lachs die Rückreise schwer macht. In Holland können die von Grönland kommenden Lachse nämlich nur schwer im Rhein aufsteigen, denn das ganze Rheindelta ist mit riesigen Hochwasserschutzanlagen und Deichen verbarrikadiert worden. Holland schützt sich so gegen die Meeresfluten. Nur wenige rückkehrende Fische gelangen über “Schleichwege” via den Rotterdamer Hafen in den Rhein. Das Gleiche gilt in geringerem Masse auch für die aus dem Strom kommenden absteigenden jungen Wanderfische.
Fast 50 Jahre lang war der Zugang von der Nordsee in Richtung Rhein praktisch hermetisch abgeriegelt. Das hat sich nun geändert. Dank dem Druck und Lobbying von Umweltorganisationen werden die Tore des Schleusenkomplexes Haringvliet südlich von Rotterdam jetzt um ein paar Zentimeter geöffnet. Seit Anfang 2019 wurde mit der Öffnung der angelehnten Schleusen des Haringvliet begonnen.
Die mühsam erkämpften Erfolge in Sachen Rhein,
Lachs, Wasserqualität und Durchgängigkeit sind beachtlich. Wenn heute der Rhein und andere Gewässer wieder sauberer sind, wenn in Bächen und Flüssen gebadet werden kann und erste Lachse im Rhein aufsteigen, dann wurden solche Erfolge immer auch erkämpft. Mit den frühen Kämpfen für Kläranlagen begannen Veränderungen, die heute, im Zeitalter des Anthropozän, einer Zeit des Überkonsums, der Artenausrottung und der Klimakatastrophe immer noch ganz am Anfang stehen.
Auch am Rhein undseinen Zuflüssen muss sich in Sachen Wasserqualität, Durchgängigkeit und Renaturierung (Rheinprogramm!)noch viel tun. Auch hier gilt es viele lokale Egoismen zu überwinden.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND-Geschäftsführer
Mein Dank geht an Nikolaus Geiler vom BBU, der sich seit Jahrzehnten für unsere Gewässer engagiert.
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Immer mehr Klimawandelleugner und Energiewendegegner argumentieren mit gezielt vorgeschobenen "Artenschutz-Argumenten" gegen Energie aus Wind & Sonne. Bei den großen Bränden in Australien und in Amazonien sind Milliarden Tiere auf eine entsetzliche Art und Weise gestorben. Die menschengemachte Klimakatastrophe wird die globale Artenausrottung und das Waldsterben massiv beschleunigen. Diese Fakten müssen, auch wenn's uns Naturschützern manchmal schwerfällt, bei allen regionalen Planungsvorhaben in die immer notwendige Artenschutz-Betrachtung einbezogen werden.
Genau in dieser Frage unterscheiden sich gemeinwohlorientierte Naturschutzverbände von egoistischen Bürgerinitiativen.
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Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
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