Rotkelchli - Harald Noth


Veröffentlicht am 11.06.2007 in der Kategorie Kultur von Axel Mayer

Erschienen am 26. 6. 2004 in der Spalte Lueginsland der Badischen Zeitung

Ich bi minene Eltere dankbar, ass si uns Kinder d Vegili zeigt hän, wu in dr Gärte, in dr Bruchstei-Müre, in dr Schiire un Schepf als gnischtet hän. Zu unsere Liäbling hän d Rotkählili zellt. D Bundesboscht het 1956 sogar e Briäfmark rüsgää, wu s "Rotkelchli" druf gsii isch, wiä mir Kinder als gsait hän. Rotkelchli? Wiä kunnts dänn zu däm sältsame Wort? S Hochditsch het dertemol no küüm e Roll gspiilt im Dorf, un mir hän s Wort "Rotkehlchen" gar nit rächt verstande. Des -chen isch im Südditsche nämlig nit beheimatet gsii, do heißt d Verkleinerungsform eigentlig -lein, -le, -li oder -el. Unter "Rotkehlchen" hä mir roti Kelch verstande, verkleineret: Rotkelchli.

###Drno sin emol 30 oder meh Johr vergange, wu ni ke einzig Rotkählili meh gsää han. D Heimet, wiä si emol gsii isch, verschwindet alliwiil meh, dr halb Briisgaü isch ei Siidlungsbrei, un mer mueß in d Ferni goh, go ne greßer Stick Natür finde, wu nonit zuebetoniärt isch. Zum Beispiil, wiä mir diämol, ins Berner Oberland. Do ischs mit Rucksack un Wanderstock bärguf gange, mer isch bigoscht afange nyt meh gwähnt, un losst sich, wämmer e Bank findet, erschepft druf keie. Uf eimol bi ni wiä eläktrisiärt - vu Erschepfung kei Spüür meh - do spiilt un glääteret e Rotkählili! Ich sag zu dr Kinder: Pscht! E Rotkelchli! Diä luege intressiärt, aber ohni Begeischterung: Ihrini Vorliäbe sin dur dr Bildschirm kanalisiärt.

###E Deil Mol kumme d Zuefell gnippeldick: I bi e baar Wuche druf z Friiburg mit em Velo unterwägs gsii. Zwische re Großboistell fiährt e frisch teerti Behälfsstroß durch, un do hockt e jung Rotkelchli mittle uf em Asphalt! Ich stells Fahrrad quer, ass d Aüto un d Laschtwäge üswiche miän. Keine düttet, alli merke, ass do ebis wichtigs gschiiht. S losst sich furtdrage, s Veegili, vu däm läbensgfährlige Blatz, i setz es unter e Baüm, in sicherem Abstand zu dr Stroß un zu dr Boistell. Des Pfiffmätzli riährt sich nit vu dr Stell. S dunkt mi arg erschepft. Hets sich verfloge? S mueß dänki no gfiäteret wäre vu dr Alte. Eb diä sich do zu däre Boistell droie? Am andere Morge gang i nomol ani: I ferch: s hockt all no dert, des Vegili, dot.

Harald Noth











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In diesen Zeiten von Barbarei, Gier, Kriegen und Gewalt stärkt Dummheit Dummheit und Intoleranz verstärkt Intoleranz. In diesen Jahren der Umwelt- und Innenweltverschmutzung stehen nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch Sprachen und Dialekte auf der Liste der bedrohten Arten. Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der an einem altsprachlichen Eliteinternat Latein lernte und gerade seine undemokratischen Weltmachtträume realisiert hält Sprache für eine veraltete Software, die schon bald obsolet sein wird. Mehr als die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen drohen in naher Zukunft zu verschwinden – und damit ein wertvoller Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Allein 600 dieser insgesamt rund 3.660 gefährdeten Sprachen könnten sogar schon in wenigen Jahren vollständig ausgestorben sein.
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Menschen, die Überschallflugzeuge, unbegrenztes Wachstum, Atomenergie, Agrargifte, Freihandel und Weltraumtourismus für Fortschritt und die Hitparade der Volksmusik für Kultur halten, die Gedichte über das "Blümelein", das "Bächelein" und das "Brünnelein" suchen, wird diese Seite nicht gefallen.

Dialekt ist bunte, kluge, kulturelle Vielfalt und nicht monokulturelle Einfalt. Dialekt ist immer auch „regionale Identität“ und steht gegen die „Kolonisierung der Lebensweltin der Megamaschine“ und gegen die zunehmende Kommerzialisierung aller Lebensbereiche.

Wir danken den vielen Autorinnen & Autoren, die uns schon erlaubt haben, Texte hier einzustellen. Auf Wunsch löschen wir Texte aber auch sofort.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein



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