1976/2026: 50 Jahre Seveso-Katastrophe / Die Ballade von Seveso - Walter Mossmann
Veröffentlicht am 02.01.2024 in der Kategorie Kultur von Axel Mayer
1976/2026: 50 Jahre Seveso-Katastrophe: Die Ballade von Seveso - Walter Mossmann
Im italienischen Seveso wurde am 10. Juli 1976 in der Chemiefabrik Icmesa durch eine Explosion im Reaktor einer Chemiefabrik eine Giftgaswolke freigesetzt und dadurch eine der größten Chemiekatastrophen der europäischen Geschichte ausgelöst. Die Folgen für das norditalienische Städtchen Seveso und die umliegende Region waren verheerend. Neben anderen Stoffen entwichen große Mengen der hochgiftigen Dioxinverbindung TCDD in die Umwelt. Hochgiftiges Dioxin verseucht ein 18 Quadratkilometer großes Gebiet, etwa 200 Menschen erleiden akute Vergiftungen (Chlorakne), zahllose Tiere verenden. Der schwere Unfall beeinflusste auch die Umwelt-Debatte (nicht nur) am Oberrhein. Die Täter wurden nie angemessen bestraft.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
Ballade von Seveso (auf youtube)
Walter Mossmann
Der zehnte Juli in Seveso
ist staubig und heiß und normal
Da hat so mancher die Nase voll
und hat doch keine Wahl:
Entweder du gehst in die Fabrik
hast das Risiko und - das Moos
Oder dir ist dein Leben lieb
dann bist du arbeitslos
Das ist die Welt von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Alle Welt kennt heute Seveso
was haben wir draus gelernt?
Da hängt eine weiße Wolke
im Himmel von Seveso
Die kommt aus der La-Roche-Chemie
und fällt auf Seveso
Ein Giftstaub fällt vom Himmel
auf Mensch und Frucht und Tier
Da ist der Tod von Vietnam
auf einmal unser Bier
Da stirbt die Welt von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Alle Welt schaut auf Seveso
was haben wir daraus gelernt?
Da war doch gestern eine Stadt
die heißt heut "Niemandsland"
Das Leben wurde stillgelegt
der Boden wird verbrannt
Die Menschen stehn am Stacheldraht
mit Trauer und Angst und Wut
Und wir fragen uns vor Fessenheim:
wie lang geht's bei uns noch gut?
Wie weit ist eigentlich Seveso?
zehn Stunden von hier entfernt
Wir schaun erschrocken auf Seveso
was haben wir draus gelernt?
Wir sehn die Frauen von Seveso
nicht in Hoffnung, sondern Not
Wie werden ihre Kinder sein?
bloß Krüppel, oder tot?
Der Erzbischof von Mailand treibt
mit ihnen seinen Spott:
"Die Krüppel macht euch nicht La Roche
die Krüppel schenkt euch Gott"
Das ist der Trost für Seveso
und Gott ist weit entfernt
Der Bischof betet für Seveso
der hat ja sonst nichts gelernt
In Zürich, der Boß von Hoffmann-La-Roche
gewährt ein Interview
Er sagt: Was soll denn das Geschrei
wegen einer toten Kuh?
Paar Hektar kaputt, paar Menschen krank
paar Krüppel - vielleicht - na und?
Ich stopf der Bagage in Seveso
mit ein paar Lire den Mund!'
Dann wird die Akte "Seveso"
von seinem Tisch entfernt
Der Boß zieht den Strich unter Seveso
der hat sein Geschäft gelernt
Da reden die Herrn der Industrie
vom Fortschritt und seinem Preis
Sie halten den Kurs auf Macht und Geld
und halten die Weste weiß
Und gibts Katastrophen, und gibts auch Krieg
für die ist das normal
Es geht nicht um uns aus Fleisch und Blut
es geht ums Kapital
Es geht auch nicht um Seveso
das ist doch ein kleiner Fisch
Und sowas fällt dann sowieso
bei denen unter den Tisch
Ihr kennt die Geschichte von Marckolsheim
ihr kennt die Geschichte von Wyhl
Da kämpfen wir schon sechs Jahre lang
und manchem wirds zuviel
Doch viele haben begriffen: hier
steht alles auf dem Spiel
"Entweder das Leben - oder Profit"*
das ist der Sinn von Wyhl
Das ist der Sinn von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Läßt uns das kalt in Seveso
oder haben wir was gelernt?
1976/2026: Vor 50 Jahren -Die ungesühnte Seveso-Katastrophe und Umweltunrecht ...
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In diesen Zeiten von Barbarei, Gier, Kriegen und Gewalt stärkt Dummheit Dummheit und Intoleranz verstärkt Intoleranz. In diesen Jahren der Umwelt- und Innenweltverschmutzung stehen nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch Sprachen und Dialekte auf der Liste der bedrohten Arten. Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der an einem altsprachlichen Eliteinternat Latein lernte und gerade seine undemokratischen Weltmachtträume realisiert hält Sprache für eine veraltete Software, die schon bald obsolet sein wird. Mehr als die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen drohen in naher Zukunft zu verschwinden – und damit ein wertvoller Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Allein 600 dieser insgesamt rund 3.660 gefährdeten Sprachen könnten sogar schon in wenigen Jahren vollständig ausgestorben sein.
Darum finden Sie auf mitwelt.org kritische und engagierte Texte, alemannisch, schwyzerdütsch, elsässisch und hochdeutsch. Doch wir wissen, dass bedrohte Tierarten nicht in der Genbank und bedrohte Sprachen nicht im Museum und im Internet überleben.
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